6. Mai 2020 / Übersetzung: Martha Motzer
Das bergbaukritische Netzwerk ACAFREMIN, das vier Partnerorganisationen der CIR aus El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua gegründet haben, macht in einer bemerkenswerten Stellungnahme auf die Hintergründe und Auswirkungen der Corona-Pandemie in Mittelamerika aufmerksam. Laut den Organisationen haben die neoliberale Politik und das extraktivistische Wirtschaftsmodell die Gesellschaften äußerst schlecht auf die Krise vorbereitet. Unter anderem hätten die Regierungen zugelassen, dass Agrarindustrie und Bergbau lebenswichtige Wasserressourcen verschwenden, um Rohstoffe für den Export zu produzieren (Extraktivismus).
Das Bündnis prangert an, dass die Regierungen das exktraktivistische Modell, das die soziale Ungleichheit fördert und die Umwelt zerstört, durch Kredite erhalten will. Zudem werden Aktivist*innen, die ihr Land vor Großprojekten verteidigen, durch autoritäre Regierungsmaßnahmen und die Gewalt der Militärs und der Polizei unterdrückt. ACAFREMIN fordert wirksame Maßnahmen zum Schutz der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen vor dem Virus. Darüber hinaus sieht das Bündnis in der Krise aber auch eine Chance, das Wirtschaftssystem auf demokratische Weise zu ändern.
Die Covid-19-Pandemie hat vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krise eine Gesundheitskrise ausgelöst, die das Leben der Weltbevölkerung und die Stabilität der demokratischen Strukturen der Nationen bedroht.
Im Angesicht dieser Bedrohung haben die Regierungen in El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua einige Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus zu kontrollieren. Allerdings werden diese Maßnahmen in einem regionalen Kontext ständiger Aggression gegen Aktivist*innen durchgeführt, die gegen die allmähliche Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit protestieren. Dies wird durch eine neoliberale Wirtschaftsagenda erzwungen, die darauf abzielt, die Wirtschaftseliten und die extraktivistischen Oligarchien durch die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und die Konzessionierung und Ausbeutung von Naturgütern zu stärken.
Die Quarantäne und die soziale Distanzierung haben zur Folge, dass die Bevölkerung regressive Gesetze und millionenschwere Kredite akzeptiert, um den Gesundheitsnotstand bewältigen zu können. Diese Maßnahmen dienen aber dazu, das extraktivistische Wirtschaftsmodell und die fortgesetzte Unterordnung unter die von den Freihandelsabkommen diktierte Wirtschaftspolitik zu bewahren. Die Entwicklungen werden von einer graduellen Rückkehr zu dem militärischen Autoritarismus der vergangenen Jahrzehnt begleitet.
Eine unmittelbare Auswirkung der Präventivmaßnahmen zeigt sich in der flexiblen Handhabung der verfassungsmäßigen Garantien, welche den Zusammenbruch der demokratischen Institutionen beschleunigt hat. Außerdem ist eine Zunahme der in der Region bereits bestehenden Muster der Kriminalisierung und Verletzung von Menschenrechten zu beobachten.
In El Salvador beispielsweise war das erste Jahr der Regierung von Nayib Bukele geprägt durch eine feindselige Einstellung gegenüber den anderen verfassungsmäßigen Gewalten des Staates, durch die Zentralisierung der Entscheidungsfindung im Präsidialamt, durch die massenhaften Entlassungen tausender Beamter, durch den Abbau des Gesundheits- und Sozialsystems und durch die Militarisierung der Gesellschaft.
Nicaragua leidet seit 2018 unter einem flächendeckenden sozialen Konflikt, der auf die schlechte Führung, die sich in der mangelnden Aufmerksamkeit gegenüber dem Waldbrand im Indio-Maíz-Reservat und den nachfolgenden Reformen des Rentensystems zeigte, zurückzuführen ist. Dies offenbarte jahrzehntelang angesammelte soziale Unzufriedenheit aufgrund von Korruption, der Beschlagnahme und Konzessionierung von Naturgütern und der Machtanhäufung in den Händen der Familie und der Verwandten von Präsident Daniel Ortega.
In Honduras ist Präsident Juan Orlando Hernández, der 2018 durch Betrug gewählt worden war, mit Drogenhandel in Verbindung gebracht worden. Währenddessen mobilisieren sich die sozialen Bewegungen seit 2009 ständig, um die allmähliche Privatisierung von Gemeingütern und zuletzt Versuche der Privatisierung des Gesundheits- und Bildungssystems zu stoppen.
In Guatemala steht die Regierung von Alejandro Giammattei, die am 14. Januar 2020 ins Amt kam, für die Fortführung des sog. „Pakts der Korrupten“ der Vorgängerregierung: Er begann sein Mandat mit der Verhängung des Ausnahmezustands und unterstützte und befürwortete die Verabschiedung von Reformen des NGO-Gesetzes, die darauf abzielten, die Registrierung derjenigen Organisationen zu kontrollieren und aufzuheben, die nach Ansicht des Präsidenten die öffentliche Ordnung behindern und verändern.
In diesem Kontext des strukturellen Verfalls unserer Demokratien stellen sich die Regierungen der Region CA4 einer gesundheitlichen Krise, in der sie Präventionsmaßnahmen ergreifen, welche von der WHO empfohlen wurden (mit Ausnahme von Nicaragua). Es zeigt sich jedoch die Unfähigkeit der Regierungen, auf ein Krisenszenario in Gesellschaften zu reagieren, die historisch den Bedingungen von Armut, hoher Ungleichheit, Ernährungsunsicherheit und hoher ökologischer Verwundbarkeit unterworfen waren.
Die derzeitige Umsetzung von Notfallplänen hat zu Konfliktsituationen geführt. Die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen (Ausgangssperren, eingeschränkte Mobilität) führen zu begrenzten Einkommen und eingeschränktem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Dadurch sind große Teile der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen auf dem Land und in der Stadt erheblich beeinträchtigt.
Dies wirkt sich exponentiell auf verschiedene Bereiche aus:
Als Bündnis haben wir davor gewarnt, dass sich die Region aufgrund der Zerstörung durch die Rohstoffindustrien in Verbindung mit den Auswirkungen des Klimawandels in einem Zustand der sozialen und ökologischen Verwundbarkeit befindet.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschäftigen wir uns nicht nur mit den Auswirkungen, die diese Pandemie kurzfristig haben könnte, sondern auch mit den kumulativen mittel- und langfristigen Auswirkungen: dem Verlust von Menschenleben, dem möglichen Zusammenbruch der Gesundheits- und Sozialsysteme, dem Zusammenbruch der Wirtschaft und der Lebensgrundlagen der großen Mehrheit und der Vertiefung der sozialen Krise, die zum Zusammenbruch der Demokratie führen könnte.
Wir sind auch besorgt, dass die Prozesse des wirtschaftlichen Aufschwungs durch die Finanzierung von extraktivistischen Wirtschaftsaktivitäten zu größerer Ungleichheit führen könnten. Die Regierungen der Region greifen zur Lösung der Krise auf eine Erhöhung der Staatsverschuldung als wirtschaftliche Maßnahme zurück, ohne zu bedenken, dass die Gläubiger oft den Zugang zu unseren natürlichen und strategischen Ressourcen als Garantie zur Sicherung der Schulden verlangen.
Wir glauben, dass dies ein guter Zeitpunkt ist, um darüber nachzudenken, inwieweit wir es unserer Regierung erlauben sollten, unsere Länder weiterhin mit Hypotheken zu belasten und damit die soziale, kulturelle und ökologische Lebensfähigkeit unserer Region zu riskieren. Vielmehr sollten wir die Dringlichkeit des Aufbaus frei beschlossener und nachhaltiger Entwicklungsmodelle schätzen, die die natürlichen Ressourcen unserer Länder vernünftig nutzen und die das Menschenrecht auf Land, Wasser und saubere Luft sowie unser Recht auf die Verteidigung des Naturerbes garantieren, damit künftige Generationen die Natur genießen und harmonisch mit ihr koexistieren können.
Angesichts der gegenwärtigen Notlage fordern wir die Regierungen, fortschrittliche Organisationen und Bürger*innen der Region dringend auf, kohärente, faire und nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Notlage zu begegnen, die sich verschärfen wird, solange keine Medikamente für eine wirksame Behandlung oder ein Impfstoff entdeckt werden. Wir fordern daher dringend:
Mit Einheit und Solidarität überwinden wir die Verwundbarkeit.
Bergbauunternehmen und politische Eliten werden mit dem Ausverkauf von Land und Metallen auf Kosten von Menschenrechten und der Umwelt reich. Diese Gemeinden und Organisationen setzen sich dem Raubbau entgegen und vernetzen sich in dem Netzwerk ACAFREMIN.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimberger @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21
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