Als Xiomara Castro ihr Amt als Präsidentin von Honduras antrat, waren die Erwartungen an sie sehr hoch. Sie löste einen Vorgänger ab, der das Land im Schulterschluss mit traditionellen Eliten und wirtschaftlich Mächtigen regelrecht ausverkauft hatte – Raubbau an der Natur, Abbau demokratischer Strukturen, Repression der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsvergehen inklusive. Aber macht sie es besser?
Derart hoch hing die Latte ihrer Wahlversprechen, dass es nicht verwundert, wenn sich nun immer deutlicher abzeichnet, dass Castro sie reißen wird. Sie startete ihre Präsidentschaft mit der Botschaft: „Heute beginnt die Regierung des Volkes“ – und einer langen Vorhabenliste: Kampf gegen Korruption, Drogenhandel und organisiertes Verbrechen. Entmilitarisierung, Polizeireform, Eindämmung der Migration und vieles mehr.
Viele hatten sie nicht nur aus Hoffnung gewählt, sondern vor allem aus Protest, um den damaligen Präsidenten Hernández endgültig abzuwählen. Das Land feierte, als er nach Ende seiner Amtszeit wegen Korruption und Verstrickung in den Drogenhandel an die USA ausgeliefert wurde, wo er nun eine Gefängnisstrafe verbüßt.
Die früheren Machthaber aber üben immer noch viel Einfluss aus und reagieren sehr sensibel auf soziale Modernisierung, insbesondere, wenn dabei ihre Privilegien angetastet werden. Zudem existieren enge Verbindungen etwa zwischen Behörden und organisierter Kriminalität. Castro bewegt sich also noch immer in demselben System, das sich so leicht nicht erneuern lässt. Zudem fehlt ihrer Koalition die Mehrheit im Parlament. Da wundert es nicht, dass ihre Fortschritte bislang nur Trippelschritten ähneln.
Bezeichnend für das Fehlen von Macht und Einfluss ist etwa, dass die Repression gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, vor allem indigene Landrechteverteidiger*innen und Umweltschützer*innen, nicht weniger wurde. Die Mordrate fällt nicht, sie steigt sogar an. Eine unhaltbare Situation.
Aber trotz mitunter großer Enttäuschung: Castro genießt in weiten Teilen der Gesellschaft nach wie vor Rückhalt. Die sozialen Initiativen haben die Hoffnung noch nicht aufgeben. In der feministischen Bewegung wird die Präsidentin für ihren Einsatz für Frauenrechte anerkannt. Castro gründete ein Sekretariat für Frauen und hat ihr Wahlversprechen zur Legalisierung der „Pille danach“ eingelöst. Die Diskussion eines Gesetzesentwurfs zur Vorbeugung und Eindämmung der Gewalt gegen Frauen lässt allerdings auf sich warten. Dieser wurde maßgeblich von unserer Partnerorganisation, dem Frauenrechtszentrum CDM (Centro de Derechos de la Mujer), erarbeitet und vorangetrieben.
Der Rückhalt aus der Frauenbewegung ist aber alles andere als blind. So hat etwa die Tatsache, dass mit Mel Zelaya Castros Mann offiziell ihr erster Berater ist, auch für sie einen Beigeschmack. Zelaya war als Präsident ebenso beliebt wie polarisierend und den Eliten ein Dorn im Auge. Das Ende seiner Präsidentschaft durch einen Putsch 2009 politisierte die honduranische Gesellschaft nachhaltig.
Entsteht hier die nächste Familiendynastie, ein Herrscherpaar wie in Nicaragua? Diese Frage wird inzwischen immer häufiger laut, und die Befürchtung scheint nicht unbegründet. Nepotismus ist eine der typischen Praktiken des politischen Systems in Honduras. Schlüsselpositionen in der Verwaltung werden an enge Verwandte vergeben. Auch unter der Castro-Regierung ist das der Fall: Zwei Söhne der Präsidentin sind ihre Berater, einer ihr Privatsekretär. Der Verteidigungsminister ist ihr Neffe, ihr Schwager Sekretär des Kongresses, in dem eine ihrer Töchter als Abgeordnete sitzt.
Im Februar 2022 wurde in Honduras der Oberste Gerichtshof neu gewählt. Obwohl die Nominierungskommission für ihre gründliche Prüfung und sorgfältige Auswahl gelobt wurde, schafften es letztlich doch Kandidat*innen ins Amt, an deren Rechtschaffenheit Zweifel bestehen. So ist einer der neuen Richter, ein ehemaliger Staatsanwalt, Verteidiger des Ex-Präsidenten Hernández und vertritt auch einige in Korruptionsfälle verwickelte Abgeordnete. Positiv ist aber, dass zum ersten Mal in der Landesgeschichte eine Genderparität in der Besetzung des Gerichtshofs erreicht wurde.
Diese Wahl war eine der UNO-Bedingungen zur Einrichtung einer für Honduras wichtigen Kommission, in die viel Hoffnung gesetzt wird: eine Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung, die sogenannte CICIH (Comisión Internacional contra la Impunidad Honduras/Internationale Kommission gegen Straflosigkeit Honduras). Noch 2020 hatte unter der Vorgängerregierung eine ähnliche Arbeitsgruppe der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) ihre Arbeit einstellen und das Land verlassen müssen. Sie hatte zu tief gegraben.
Castro hatte mit dem Einsatz einer neuen Antikorruptionsgruppe geworben und die Vereinten Nationen dafür um Hilfe gebeten. Nach über einem Jahr sind entsprechende Verhandlungen noch nicht abgeschlossen, vor allem, weil geforderte Änderungen im Geldwäschegesetz bislang nicht vollzogen wurden. Außerdem hapert es wohl auch noch an der Finanzierung der Kommission. Der ersehnte Startschuss für diese Arbeitsgruppe wäre ein großer Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz und damit die dringend benötigte Grundlage für eine lebendige Demokratie.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Kirsten Clodius
Referentin für Honduras, Nicaragua
clodius @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-18
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