Orangensaft

Blick in Richtung Anbauregionen: Hungerlöhne bei der Orangenernte in Brasilien

Über die Hälfte des in Deutschland konsumierten Orangensafts kommt aus Brasilien. Doch die Sozialstandards bei der Arbeit sind mangelhaft und der Lohn der Orangenpflücker*innen ist in der Regel so gering, dass er nicht für ein Leben in Würde reicht.

Prekäre Arbeitsbedingungen im Orangenanbau

Migrantische Arbeiter*innen berichten von Ausbeutung

Orangenernte in Alto Paraná. Die Orangenpflücker*innen sind insbesondere haitanische Gastarbeiter*innen. (Foto: Repórter Brasil)

Im Rahmen einer von der CIR beauftragten Studie über die Arbeitsbedingungen im Orangenanbau im Nordosten Brasiliens wurden im Juni 2022 migrantische Arbeiter*innen interviewt, darunter Samçois und Wilner. 2013, drei Jahre nach dem großen Erdbeben in Haiti, sind die beiden nach Brasilien gekommen.

Seit drei Jahren helfen sie bei der Orangenernte in Paranavaí. Ihre Arbeit ist körperlich anstrengend, schlecht bezahlt, rechtlich ungeschützt und saisonabhängig. Samçois und Wilner erhalten als Erntehelfer ein monatliches Gehalt von rund 250 Euro (1.350 Reals) sowie eine zusätzliche Vergütung, wenn sie mehr als 1,5 Tonnen pro Tag geerntet haben. Wilners Frau und Kinder leben auf Haiti. Er hat versucht, ihnen Geld zu schicken, aber durch den Anstieg der Lebenshaltungskosten in Brasilien, die Abwertung des brasilianischen Real gegenüber dem Dollar und den geringen Lohn ist dies heute ebenso wenig möglich, wie ein Besuch der Familie oder die Rückkehr nach Haiti.

Die Studie zeigt, dass die Arbeitsbedingungen auf den Orangenplantagen grundlegende Standards untergraben. So arbeiten die Erntehehelfer*innen oft unter hoher körperlicher Belastung, im Akkord, ohne Schutzkleidung (insb. gegen Pestizide) und Arbeitspapiere. Meistens sind sie Tagelöhner*innen. Die Bezahlung der Arbeiter*innen ist nicht annähernd existenzsichernd. Die Folge ist eine weitere Verschärfung der Akkordarbeit und noch längere Arbeitszeiten. Vom Verkaufspreis an der Supermarktkasse bekommen die Arbeiter*innen vier bis sieben Prozent.

Preisdruck auf kleinbäuerliche Betriebe wächst

Nachhaltiger Anbau in Gefahr

Jairode Souza Rios, Kleinbauer aus dem Bundesstaat Sergipe und Mitglied der Genossenschaft Coopelanor (Foto: CIR)

Für kleine Produzent*innen sind das ungleiche Kräfteverhältnis, die Intransparenz der Lieferkette sowie der niedrige Preis die zentralen Probleme im umkämpften Orangensaftmarkt . Obwohl knapp 90 Prozent der im Orangenanbau tätigen Betriebe von Kleinproduzent*innen bewirtschaftet werden, besitzen sie nur knapp ein Fünftel der Orangenbäume. Kleinproduzent*innen, die Früchte an die Industrie verkaufen, müssen teilweise zehn Tage auf einen LKW warten, dann erneut drei Tage vor den Werkstoren stehen, bis ihnen die Früchte abgenommen werden. Wenn es dann Mängel an der Ware gibt, wird ein Rabatt von zehn Prozent gefordert oder der Preis generell neu verhandelt beziehungsweise gesetzt.

Im Nordosten Brasiliens werden die Orangen für die Saftproduktion von Zwischenhändlern bei den Familienbetrieben abgeholt und zu den regionalen Saftfabriken von Maratá und Topfruit geliefert. Für eine Tonne Orangen haben die Kleinbäuerinnen und -bauern in der Region in 2022 rund 50 Euro (280 Reals) erhalten.

“Wenn man das Geld von der Ernte bekommt, muss man sich entscheiden: Entweder man düngt den Hof oder man stillt den Hunger der Familie”, so ein Kleinbauer aus der Region. Die Produktionskosten sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Viele Kleinbäuerinnen und -bauern arbeiten daher auch als Erntehelfer*innen, um ihr Einkommen aufzubessern. Von dem Orangenanbau allein können sie nicht leben.

Die Marktkonzentration und der damit einhergehende schwere Marktzugang führt bei Kleinbäuerinnen und -bauern zu niedrigen Preisen, welche teilweise unter die Produktionskosten sinken. Nur durch Selbstausbeutung bleiben die Familienbetriebe konkurrenzfähig, z.B. durch die Zustimmung zu niedrigen Löhnen für diejenigen, die die Arbeit auf der Farm verrichten (meist Familienangehörige oder wie im oberen Beispiel migrantische Arbeiter*innen), oder der Akzeptanz eines hohen Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber den Käufer*innen.

Porträt von Sandra Dusch Silva

Ich bin für Ihre Fragen da:

Sandra Dusch Silva
Referentin für nachhaltige Lieferketten und Kleidung
duschnoSpam@ci-romero.de
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