Juni 2023
„Sichere, geordnete und legale“ Migration – das versprechen sich die USA von der Eröffnung eines Migrationszentrums in unserem Partnerland Guatemala. Ist das eine gute Nachricht für die Menschen, die sich zu Tausenden auf dem Weg von Mittelamerika in die USA befinden? Das haben wir unsere Partnerorganisation Pastoral de Movilidad Humana gefragt, die sich in Guatemala für den Schutz der Rechte von Migrant*innen einsetzt.
In sogenannten regionalen Bearbeitungszentren in Kolumbien und Guatemala sollen Menschen, die in die USA wollen, mit Einwanderungsspezialist*innen sprechen und Einreiseanträge stellen können. So soll die „irreguläre Migration“ begrenzt und ein großer Andrang an der Grenze von Mexiko zu den USA verhindert werden. Denn seit Mitte Mai gilt eine von Donald Trump während der Coronapandemie eingeführte Regelung zur Einschränkung der Migration (Titel 42) nicht mehr. Die USA fürchten, dass sich nun noch mehr Menschen als ohnehin schon, u.a. aus Mittelamerika, auf den Weg in den Norden machen. Seit März 2020 wurden in mehr als 2,8 Millionen Fällen Menschen unter Titel 42 aus den USA abgeschoben. Zwischen Oktober 2021 und Oktober 2022 registrierte die US-Grenzschutzbehörde mehr als zwei Millionen Versuche, in die USA zu gelangen.
Die Einschätzung der Expert*innen unserer Partnerorganisation ist klar: „Meiner Meinung nach wird die Eröffnung der Migrationszentren die Situation der Migrant*innen nicht verbessern“, sagt uns eine Mitarbeiterin von der Pastoral de Movilidad Humana. „Ziel der Zentren ist es, dass gewisse humanitäre Visa-Verfahren oder Prozesse des internationalen Flüchtlingsschutzes schon im Herkunftsland gesteuert werden und die Antragsteller*innen dann in die USA einreisen, um dort derart ‚gefiltert‘ formell Anträge zu stellen. Für die meisten Migrant*innen, die aus wirtschaftlichen Gründen zur Flucht gezwungen sind und die die Einreise gar nicht erst schaffen, bringt das System keine Lösung, da die Ursachen der Flucht strukturell bedingt sind.“
Zudem soll das Zentrum nur für Guatemaltek*innen eingerichtet werden und nicht für Migrant*innen auf der Durchreise oder aus einem Drittland zur Verfügung stehen. Neben Menschen aus unseren Partnerländern El Salvador, Honduras, Nicaragua und Guatemala versuchen auch viele Migrant*innen aus der Karibik und Südamerika, z.B. aus Kuba, Brasilien, Venezuela und Kolumbien, über Mexiko in die USA zu gelangen.
„Ich denke, dass die Auslagerung der Aufgaben der US-Migrationsbehörden in andere Länder auch eine Auslagerung der Grenzen ist. Es handelt sich um eine Strategie, die darauf abzielt, die Verwaltung der Außengrenzen in andere Länder zu verlagern und so die massenhafte Ankunft von Migrant*innen zu verhindern“, sagt die Mitarbeiterin der Pastoral de Movilidad Humana. Dem stimmt eine Kollegin zu: „Die USA möchten den Anschein erwecken, dass die Zentren dazu dienen, die Ballung von Migrant*innen an der Südgrenze zu vermeiden und sie daran zu hindern, die gefährliche Migrationsroute überhaupt zu nehmen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Externalisierung der Grenze, die die Menschen auf Flucht in besorgniserregender Weise in eine Situation des mangelnden Schutzes und der Gefährdung ihrer Menschenrechte bringt.“
Vergleichbare Fälle der Externalisierung von Außengrenzen, zum Beispiel in Europa, würden zeigen, dass dies dazu beiträgt, dass Menschen auf der Flucht auf neue, gefährlicherer Migrationsrouten ausweichen oder die Dienste von Schleuser*innen in Anspruch nehmen.
Am 31. Mai gab die guatemaltekische Regierung eine Erklärung ab, in der sie mitteilte, dass sie sich nach einem Treffen mit US-Beamten bereit erklärt hat, „Büros für sichere Mobilität“ einzurichten, um Flüchtlinge und Migranten auf legale Wege zu leiten und ihnen dabei zu helfen, Risiken auf dem Migrationsweg zu vermeiden.
Diese Büros werden von Organisationen wie dem UNHCR und der IOM betrieben und nehmen ab dem 12. Juni 2023 Anträge auf Neuansiedlung von Geflüchteten, humanitäre Bewilligung, Familienzusammenführung und Zeitarbeit entgegen. Es ist noch nicht bekannt, ob die Arbeit in physischen Büros betrieben wird, oder ob die Migrationszentren nur Online-Anträge annehmen.
In den vergangenen Wochen und Monaten häuften sich schlechte Nachrichten im Zusammenhang mit Migrant*innen aus Mittelamerika auf dem Weg in die USA: Mehr als 340 Migrant*innen sind im März in einem abgestellten Lastwagen in Mexiko entdeckt worden – unter ihnen mehr als 100 unbegleitete Minderjährige. Der Lastwagen ist vermutlich von einer Schlepperbande am Straßenrand abgestellt worden. Immer wieder kommt es zu solchen Fällen, im vergangenen Jahr sind 50 Migrant*innen in einem LKW in Texas qualvoll erstickt. In einer Protestaktion gegen Mexikos restriktive Einwanderungspolitik haben sich sechs Migrant*innen, u.a. aus El Salvador und Honduras, im April die Münder zugenäht. Sie wollten erreichen, dass die Behörden ihnen zuhören und ihnen Bewegungsfreiheit zusichern.
Ende April sind Migrant*innen aus Zentral- und Südamerika im mexikanischen Bundesstaat Chiapas zur Karawane „Viacrucis Migrante“ aufgebrochen, um mit Regierungsvertreter*innen über eine Regulierung ihres vorübergehenden Aufenthaltes in Mexiko zu sprechen. Mit dem Marsch protestierten sie auch gegen Todesfälle in einer Sammelstelle der Migrationsbehörde (INM) im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Thorsten Moll
Referent für Landwirtschaft, Klimagerechtigkeit, arbeitende Kinder
moll @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-22
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