Als wichtigster Grundwerkstoff wird er bezeichnet. Stahl, eine Legierung aus Eisen, Kohlenstoff und anderen Metallen und Nichtmetallen, gilt als universell einsetzbar, egal ob als Autokarosserie, Stütze im Gebäudefundament oder Küchengerät aus Edelstahl. Unterschiedliche Legierungen machen Stahl je nach Bedarf korrosionsfest, besonders hart, hitzebeständig oder formbar. Stahl ist für die Industrie und für unseren Alltag zu einem unverzichtbaren Rohstoff geworden…
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Aus diesem Grund wird der Stahlindustrie eine besondere wirtschaftliche Bedeutung zugeschrieben. Als „Schlüsselindustrie“ und „Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft“ versorgt sie sämtliche Branchen und schafft Arbeitsplätze. Nach Branchenangaben sind 3,5 Millionen Beschäftigte in dem Sektor tätig, das sind zwei von drei Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe. Deutschland ist in der Stahlherstellung europäischer Spitzenreiter: 42,7 Mio. Tonnen Rohstahl wurden 2015 in der Bundesrepublik produziert und somit ein Viertel des in der EU hergestellten Stahls. Rund die Hälfte des deutschen Stahls produzieren nur drei Konzerne, ThyssenKrupp (rund 12,5 Mio. Tonnen Rohstahl), die Salzgitter AG und ArcelorMittal Deutschland (jeweils rund 7 Mio. Tonnen Rohstahl).
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„Steel Made in Germany“
Hinter diesen Zahlen gerät jedoch aus dem Blickfeld, dass die notwendigen Rohstoffe zur Stahlherstellung – insbesondere Eisenerz und Kokskohle – importiert werden müssen. Eisenerz stammt größtenteils aus Brasilien, gefolgt von Schweden und Kanada; die Kokskohle stammt vor allem aus Australien, den USA, Russland und Mosambik. Auch die weiteren Metalle, die zur Stahlherstellung benötigt werden, wie Nickel, Wolfram oder Kupfer, werden in weit entfernten Stätten abgebaut. Dass der Abbau von metallischen Rohstoffen oftmals mit erheblichen Umweltzerstörungen und massiven Menschenrechtsverletzungen einhergeht, berichten die Organisationen im AK Rohstoffe regelmäßig. Die Stahlindustrie stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Im Folgenden werden zwei Länder, aus denen Deutschland seine Rohstoffe zur Stahlherstellung bezieht, genauer betrachtet.
Im Jahr 2014 bezog die deutsche Wirtschaft Kokskohle im Wert von 20,7 Mio. Euro (über 200.000 Tonnen) aus Mosambik für die heimische Stahlherstellung. Als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Afrika hat Mosambik für Deutschland eine strategische Bedeutung, was sich in den steigenden Kohleimporten widerspiegelt: …
Waren es im Jahr 2012 noch gut 64.000 Tonnen, hat sich die Menge bis 2014 mehr als verdreifacht. Ein Großteil der Kokskohle stammt aus der Provinz Tete in Zentralmosambik. Tete hat sich in den letzten Jahren zu einem lukrativen Bergbauzentrum entwickelt. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive generiert die Bergbauindustrie zweifellos ein Einkommen für den Staat, trotzdem gehört Mosambik immer noch zu den zehn ärmsten Ländern der Welt.(1) 55 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, der größte Teil von ihnen in ländlichen Gebieten. Diese Menschen sind abhängig von der Subsistenzwirtschaft.
Zwangsumsiedlung tausender Menschen
Ländliche Gemeinden waren einst auch die Orte, wo sich heute die Benga- und Chipangaminen befinden. In ihnen werden große Mengen von Kokskohle abgebaut und die Kapazitäten sollen stetig erweitert werden. Viele der Menschen, die vormals dort lebten, mussten ihr Zuhause verlassen. Zwischen 2009 und 2010 leitete die Regierung zusammen mit den verantwortlichen Bergbauunternehmen Zwangsumsiedlungen mehrerer tausend Menschen ein. Eins der weltweit größten Bergbauunternehmen, der brasilianische Konzern Vale, verdrängte für die Chipanga-Mine knapp 1.000 Familien. Sie wurden umgesiedelt nach Cateme, unweit der Bezirkshauptstadt Moatize. Ein kleiner Teil wurde innerhalb von Moatize umgesiedelt. Obgleich die Familien nach nationalem Recht entschädigt wurden, haben die Bewohner*innen bis heute mit den Folgen der Umsiedlung zu kämpfen: Winzige Häuser mit rissigen Wänden und ohne Fundament gebaut, fehlende Erwerbsmöglichkeiten, fernab von sauberem Wasser und fruchtbaren Böden, bedrohen bis heute die Existenz der Menschen.
Entschädigung?
Delvino Xadreque wurde von Vale mit Baumaterialien für eine Scheune, Hühnern und etwas Futter entschädigt. Das Geschäft mit den Hühnern ist allerdings nicht profitabel. Mit anderen Bewohner*innen schloss er sich zusammen, um die Bahnschienen, auf denen täglich die Kohlezüge durchfahren, zu blockieren. Geändert hat das aber nichts: „Die Kohle wird nach Europa, nach Amerika verschifft. Unsere Kohle. Es gibt keinen Nutzen, keine Arbeit für uns. Wir sehen jeden Tag, wie die Kohlezüge hier durchfahren. Das tut weh. Wir wollen, dass die Unternehmen ihr Versprechen halten. Sie haben uns Arbeit versprochen. Nun sitzen hier so viele Menschen ohne eine Arbeit.“ Bis heute hat Vale das Versprechen, die Menschen fair zu entschädigen, nicht eingelöst. Als die dänische NRO Danwatch den Konzern 2015 mit diesen Fakten konfrontierte, äußerte es sich nicht zu dem Fall.
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Manchmal tagelang ohne Wasser
Auch der Benga-Mine, die inzwischen mit 4.560 Hektar zum größten Kohlebergwerk des Landes angewachsen ist, mussten 736 ansässige Familien weichen. Als die Mine 2011 von dem britisch-australischen Rio Tinto aufgekauft wurde, begann die Hauptphase der Umsiedlung in die abgeschiedene Gegend Mualadzi.(2) Und dies, obwohl sich das Bergbauunternehmen und die Regierung darüber bewusst waren, dass die neue Siedlung weder über eine sichere Trinkwasserversorgung, noch wirtschaftliche Beschäftigungsmöglichkeiten oder landwirtschaftlich nutzbare Böden verfügte. Die Menschen kämpfen bis heute um ihre Existenz. Emília Fato, Einwohnerin in Mualadzi, erzählt, dass sie manchmal tagelang ohne Wasser auskommen müssen. „Unser größtes Problem ist Nahrung, denn hier haben wir kein Einkommen. Wo wir vorher lebten, konnten wir uns selbst versorgen und wir waren auf keine Hilfe angewiesen.“ Ihr Sohn kann nicht mehr zur Schule gehen, es fehlt schlichtweg das Geld. Bitter fügt sie hinzu: „Das ist nun unser Leben. Wir leiden.“ Drei der vier europäischen Unternehmen, die Kokskohle aus Mosambik beziehen, nämlich ArcelorMittal, Tata Steel Europe und ThyssenKrupp, können über ihre Lieferkette direkt mit den Umsiedlungen nach Mualadzi und Cateme in Verbindung gebracht werden.
(1) Rang 180 von 188 laut dem UN Human Development Index von 2015.
(2) Eingeleitet wurde die Umsiedlung vom australischen Riversdale und der britisch-indischen Tata Steel, bis die Mine 2011 an Rio Tinto überging.
55 Prozent des ausländischen Eisenerzes bezieht Deutschland aus Brasilien. Doch nicht nur als Rohstofflieferant ist Brasilien bedeutsam für die Stahlhersteller, auch als Produktionsstandort wird er von deutschen Unternehmen genutzt. ThyssenKrupp betreibt gemeinsam mit dem brasilianischen Vale das ThyssenKrupp Companhia Siderúrgica do Atlântico (TKCSA) in Rio, das größte Stahlwerk Lateinamerikas…
Beliefert wird es von Vale selbst. Vales größte Eisenerzmine Carajás im amazonischen Bundesstaat Pará beliefert sowohl das TKCSA-Werk als auch ThyssenKrupp in Deutschland. Auch die 50-prozentige Vale-Tochter Samarco liefert Eisenerz in großen Mengen nach Deutschland, nach Angaben des Unternehmens sollen es Produkte im Wert von „über 50 Millionen Euro“ sein. Insbesondere in Carajás wurden immer wieder Fälle von Menschenrechtsverletzungen registriert. Vale wurde 2012 als weltweit schlimmster Konzern mit dem Public Eye Award „ausgezeichnet“ aufgrund seiner weltweiten Verstrickung in Arbeitsrechtsverletzungen, Arbeitsunfälle, Sklavenarbeit, Einschränkung der Gewerkschaftsfreiheit, Einschränkung des Rechts auf Selbstbestimmung traditioneller Gemeinden, die Verletzung des Rechts auf Wohnen und Gesundheit in den Bergbauregionen und in Konflikte um Land und natürliche Ressourcen. Samarco hingegen erlangte zuletzt traurige Berühmtheit durch die bislang schlimmste Umweltkatastrophe Brasiliens, als Betreiberfirma des gebrochenen Rückhaltebeckens in Mariana, aus dem sich über 60 Millionen Kubikmeter toxischer Schlamm in den Rio Doce ergossen und dabei mindestens 17 Menschen ums Leben kamen.
Keine Fischerei mehr, dafür Feinstaub
Dass deutsche Stahlunternehmen von solchen Konzernen ihre Rohstoffe beziehen, ist erschreckend. Dass sie auch noch, so wie im Fall von TKCSA gemeinsam produzieren lassen, zeugt davon, dass die vollmundigen CSR-Versprechen von Nachhaltigkeit und sozialverträglicher Performance nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen.(3) Im Fall von TKCSA handelt es sich um ein Stahlwerk ohne ordentliche Betriebsgenehmigung, da das Unternehmen seit Jahren gegen nationale Umweltauflagen verstößt.(4) Die Feinstaubbelastung ist seit der Inbetriebnahme des Werks um 76 Prozent angestiegen, mit vielfachen gesundheitlichen Negativfolgen für die Bewohner*innen. Auch die durch den Bau des Werks entstandenen ökologischen Schäden haben bis heute fatale Auswirkungen, beispielsweise auf die Fischer*innen in der Umgebung, die ihren Beruf wegen schwindender Fischbestände immer schwerer ausüben können. Lebensgefährliche Strömungen, verursacht durch ein von TKCSA gebautes Schleusensystem, verschärfen die Bedingungen zusätzlich.
Und was sagt ThyssenKrupp?
Der Konzern erklärt dazu in einer schriftlichen Stellungnahme lapidar: „Das Stahlwerk ThyssenKrupp CSA […] gehört zu den emissionsärmsten Stahlwerken weltweit. Die Anlagen und ihre Emissionen werden rund um die Uhr, sieben Tage die Woche kontrolliert und Messwerte werden den Behörden täglich zur Verfügung gestellt. Die gesetzlichen Grenzwerte werden eingehalten, auch die Untersuchungen der eigenen Mitarbeiter*innen, die den Emissionen am unmittelbarsten ausgesetzt sind, haben keine Gesundheitsschädigungen durch Emissionen ergeben. Insbesondere ist auch zu beachten, dass die Staubimmissionen in Santa Cruz nicht identisch mit den Emissionen von Thyssenkrupp CSA sind, da es in der Umgebung auch andere Emissionsquellen für Staub gibt. Zudem besteht ein enger Austausch mit der lokalen Bevölkerung, um Fragen frühzeitig aufnehmen zu können.“
(3) Trotz der genannten Vorfälle haben sowohl Samarco als auch Vale die ISO-Zertifikate 9001 in Qualitätsfragen und ISO 14001 in Umweltfragen erhalten.
(4) Stattdessen wurde eine vorläufige Betriebsgenehmigung, der Termo de Ajuste de Conducta (kurz: TAC-Vertrag) zwischen Umweltbehörde und Investor ausgehandelt, welche mit einer 24-monatigen Laufzeit allerdings im April 2016 auslaufen wird. Die brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft bezeichnet den TAC-Vertrag als illegal.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimberger @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21
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