Großhandel
Wenig Transparenz, noch weniger Arbeitsrechte
Die CIR hat erneut untersucht, wie sich Großhandelsunternehmen für die Sozialstandards in ihren Lieferketten von Lebensmitteln, in denen es häufig zu Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung kommt, engagieren und diese umsetzen.
Die hier veröffentlichten Unternehmensprofile sollen zu mehr Transparenz in der Lebensmittelbranche beitragen und den Dialog zwischen Einkaufenden und Bietenden fördern.
Immer häufiger versorgen sich Menschen in Deutschland außer Haus. Ob das Catering bei einer Veranstaltung, ein schneller Snack im Café, mittags in der Kantine am Arbeitsplatz oder in der Schule: All das fließt in den sogenannten Außer-Haus-Markt der Lebensmittelindustrie ein. Laut Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie stiegen 2019 die Konsumausgaben im Außer-Haus-Markt um 3,7 Prozent auf rund 82,8 Mrd. Euro. Damit ist dies der zweitwichtigste Absatzkanal für die Lebensmittelbranche nach dem Lebensmitteleinzelhandel. Auch die öffentliche Hand ist mit der Verpflegung in Betriebskantinen, Bildungs- und Pflegeeinrichtungen an dieser Branche beteiligt. Bund, Länder und Kommunen verköstigen in eigenen Einrichtungen und indirekt durch die Vertragsvergabe an externe Unternehmen etwa 16,5 Mio. Menschen pro Tag.
Bevor das Essen dort auf den Tellern landet, steht es im Großhandel im Regal. Hier kaufen Kantinen, Cafés und Cateringunternehmen als Großabnehmer*innen ihre Lebensmittel zu meist günstigen Konditionen ein. Diese Publikation untersucht das Engagement des Großhandels hinsichtlich seiner Bemühungen Sozialstandards in Lieferketten von Lebensmitteln umzusetzen, in denen es häufig zu Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung kommt.
Die Struktur des Großhandels hat sich in den letzten Jahren stark verändert. So wie im Lebensmitteleinzelhandel eine Konzentration auf die Unternehmen EDEKA, Rewe, Lidl und Aldi stattgefunden hat, gibt es auch im Großhandelsbereich eine zunehmende Verdichtung. Dies gilt besonders für den Cash & Carry Bereich (sogenannte „Selbstbedienungsmärkte“), aber auch für den Zustellgroßhandel (auch „Foodservice“ genannt). Die Grenze zwischen diesen beiden Bereichen verschwimmt dabei immer mehr. So bieten die meisten Unternehmen mittlerweile beide Optionen an.
Wie der Einzelhandel bietet auch der Großhandel Eigenmarken an. Diese sind preisgünstiger als Markenprodukte und versprechen größere Gewinnmargen für die Unternehmen. Gleichzeitig werden die eigenen Marken genutzt, um sich von der Konkurrenz abzuheben und die Kundenbindung zu stärken.
Im Lebensmitteleinzelhandel hat sich der Marktanteil von Eigenmarken in fast allen Produktgruppen deutlich erhöht, vergleichbare Entwicklungen sind auch im Großhandel zu erwarten. Unterschiedliche Großhandelsunternehmen haben in den letzten Jahren bereits angekündigt, ihre Eigenmarken stärken zu wollen. Damit wird unter anderem auch die besonders preisbewusste Horeca-Branche (Hotel-Restaurant-Catering) angesprochen. Aus dem Supermarktbereich (39,6 Prozent des Umsatzes mit Eigenmarken 2019) ist bereits bekannt, wie durch den Wettbewerb um den niedrigsten Preis Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltstandards häufig auf der Strecke bleiben.
Durch die Corona-Pandemie hat der Lebensmittelgroßhandel schwere ökonomische Einbußen zu verzeichnen. Insbesondere die Schließung der Gastronomie während des Shutdowns macht sich in rückläufigen Umsätzen bemerkbar. Im Gegensatz zum Einzelhandel konnte der Lebensmittel-Großhandel also nicht von der Krise profitieren. Die Konsumausgaben im Außer-Haus-Markt 2020 sanken um 35,3 Prozent auf 53,6 Mrd. Euro. Die Gastronomie erlebte im selben Jahr einen Umsatzrückgang von fast 32 Prozent.
Gleichzeitig offenbaren Corona-Ausbrüche in Fleischfabriken, dass die Arbeitsbedingungen in Lieferketten – hier in Deutschland bei der Verarbeitung und in den Anbau- und Produktionsländern – dem Anspruch menschenwürdiger Arbeit nach wie vor hinterherhinken. Es ist an der Zeit, dass der Lebensmittelgroßhandel Verantwortung für seine gesamten Lieferketten übernimmt und diese Probleme angeht!
Großmärkte, Restaurants und Kantinen sind gefüllt mit Produkten aus aller Welt. Dabei glänzen die Produktverpackungen mit ländlicher und kleinbäuerlicher Idylle und verschleiern so oftmals die sozialen und ökologischen Missstände, mit denen der Produktionsprozess behaftet ist.
Kleinbäuerinnen und -bauern sowie die Arbeiter*innen haben die geringste Macht in den globalen Lebensmittellieferketten und werden für unseren Hunger nach billigen Lebensmitteln ausgebeutet. Besonders betroffen sind Kinder, Frauen*, Indigene und Migrant*innen, indem sie zusätzlich benachteiligt und ihrer Rechte beraubt werden. Umso wichtiger ist es, einen Blick hinter die Kulissen zu wagen, um besser zu verstehen, welche Missstände beseitigt werden müssen.
Zu den Lebensmitteln, in denen die dargestellte Ausbeutung von Menschen und Umwelt besonders häufig steckt, gehören unter anderem Südfrüchte (frisch, getrocknet und als Saft), Kaffee, Tee und Kakao, Rohrzucker und Honig, Quinoa und Reis, Wein, Süßwaren mit Kakaoanteil, Gewürze wie Pfeffer und Vanille, Nüsse und Kokosprodukte sowie Palmöl.
Hier geht es zu den Ergebnissen der Unternehmensbefragung 2018.
Die erstellten Unternehmensprofile ermöglichen der öffentlichen Hand einen Überblick, wie diese Unternehmen in den Bereichen Transparenz und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten aufgestellt sind. Außerdem können auch Cateringunternehmen, die bei diesen Unternehmen einkaufen und die öffentliche Hand beliefern, die Profile nutzen, um Informationen über die unterschiedlichen Sozialstandards der Großhandelsunternehmen zu erhalten.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Merle Kamppeter
Referentin für nachhaltige Agrarlieferketten, öffentliche Beschaffung
kamppeter @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-61
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