Sieben Tage, neun Nationen, 30 Klimabotschafter*innen. Im Zuge der Kampagne Game on – Don’t let the climate change end the game! fand vom 21.- 27. August ein weiteres Wildnis-Camp statt – diesmal auf der slowakischen Donauinsel Veľký Lél Island. Die Teilnehmenden aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn kamen zusammen, um klimagerechte Landbewirtschaftungsformen und Artenschutzmethoden in Theorie und Praxis kennenzulernen, über Themen wie Klimaangst und Bewältigungsstrategien ins Gespräch zu kommen, sich kulturell, kulinarisch, musikalisch und sprachlich auszutauschen und mit Vorurteilen aufzuräumen.
Veľký Lél Island gehört zum Landschaftsschutzgebiet der Donau-Auen, welche die Grenze zum benachbarten Ungarn darstellen. Charakteristisch für die Insel ist ein vielschichtiges Mosaik verschiedener Biotope wie Auenwälder, offene Wiesen, strukturreiche Weiden und Feuchtgebiete. Die Hauptgehölze Eiche, Esche und Pappel bieten dabei als Lebend- wie auch Totholz zahlreichen Insekten, Spinnen- und Weichtieren ebenso wie Vögeln wertvollen Unterschlupf und stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage dar. Die 250 Hektar große Landfläche wird größtenteils von der slowakischen Game On-Partnerorganisation BROZ bewirtschaftet und gepflegt.
Neben der Theorie zielte das Programm auch auf die praktische Erfahrung der Naturschutzprojekte von BROZ ab. Durch das eigene Anpacken und die Mitarbeit im Gelände konnten wir insbesondere in der großen Gruppe spüren, was mit einfachen Mitteln im Naturschutz alles möglich ist. Die „Hands-on-Experience“ bestand in diesem Jahr aus der Pflege eines Steilufers der Donau auf Veľký Lél Island. Konkret bedeutete dies, dass ein Flussuferabschnitt von aufwachsender Vegetation befreit wurde. Im Anschluss haben wir die Uferwände mit Spaten steil abgestochen. Der Erhalt und die Offenhaltung dieser Uferwände schaffen wichtige Nistplatzmöglichkeiten für Vogelarten wie die Uferschwalbe oder den Eisvogel. Die aufgrund von Begradigung und sonstigen Regulierungsmaßnahmen fehlende Dynamik in den Flussökosystemen führt dazu, dass vertikale, offene Uferwände nicht mehr entstehen können bzw. zuwachsen. BROZ hat sich zum Ziel gesetzt, diesem Problem durch die Wiederherstellung solcher Lebensräume und die Renaturierung von Fließgewässern entgegenzuwirken. Dabei spielen unter anderem die Wiederanbindung von Gewässeraltarmen oder der Rückbau überflüssiger Uferbefestigungen eine Rolle.
Die Grasländer sind ein wichtiger Bestandteil der Veľký Lél Island und sind einer der artenreichsten Lebensräume. Sie bilden daher wichtige Ökosysteme, die es zu erhalten gilt. Daher hat BROZ in der Slowakei an 95 Orten Beweidungsprojekte als Naturschutz- und Managementmaßnahmen etabliert. Bei den Exkursionen auf Veľký Lél Island fielen sofort die zahlreichen Koppeln mit Rindern, Pferden, Eseln und Ziegen auf. Durch ihr Grasen verhindern die Tiere, dass das Gebiet verbuscht und sich unter anderem invasive Baumarten wie der Götterbaum und die Gewöhnliche Robinie etablieren können. Die ebenfalls nicht heimische Seidenpflanze hingegen lässt sich von der Störung durch Tritt und Fraß der Weidetiere nicht aufhalten. Als konkurrenzstarke Art ist sie dennoch in der Lage, heimische Arten zu verdrängen. Daher bestand eine weitere „Hands-on-Experience“ darin, die Pflanze zu bestimmen und zu entfernen. Mit dem Schutz der Grasländer geht auch die Erhaltung lebensnotwendiger (Bestäuber)-Insekten einher, welche auf die zahlreichen Pflanzenarten angewiesen sind. Bei einer Exkursion mit einem Insektenexperten konnten wir die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten und lernen sie zu unterscheiden. Dabei konnte mit dem Mythos aufgeräumt werden, dass die Honigbiene der effizienteste Bestäuber ist. Denn Honigbienen fliegen beispielsweise nur 7-8 Blumen pro Minute an, wohingegen Hummeln dies bei 13-16 Blumen pro Minute tun. Dazu kommt noch, dass eine hohe Fruchtqualität von der Diversität der Bestäuber abhängt. Das bedeutet, dass wir bei der nächsten Begrünung unserer Gärten und Balkone darauf achten sollten, nicht nur Honigbienen einen geeigneten Lebensraum zu schaffen, sondern auch anderen Bestäubern, wie Käfern, Schmetterlingen oder Hummeln.
Ein weiteres tierisches Highlight stellte neben den zahlreichen Vögeln und Insekten auch der Europäische Biber dar.
Dieser gilt mit der Fähigkeit, die Umwelt nach seinen Bedürfnissen zu gestalten, als sogenannter „Ökosystem-Ingenieur“. Durch das Bauen von Dämmen und Anlegen von Kanälen schafft er auch für andere Tierarten Lebensräume und ist aus diesem Grund ein wichtiger Bestandteil von Lebensgemeinschaften. Denn Totholz kann von Insekten bewohnt werden oder Nistplätze für Vögel bieten. Wer den Biber sehen möchte, muss jedoch Geduld, Aufmerksamkeit und viel Mückenschutzspray mitbringen. Aus der Ferne konnten die Tiere beobachtet werden, wobei sie schnell verwechselbar mit der ähnlich aussehenden Nutria sind. Mit einem Blick auf das Hinterteil des Tiers lassen sich aber jegliche Zweifel ausräumen: Der platte, schaufelähnliche Schwanz des Bibers, die Kelle, ist ein Alleinstellungsmerkmal; der Schwanz einer Nutria ähnelt eher dem einer Ratte.
Auch kulturell konnten wir uns austauschen und haben beispielsweise einen bulgarischen Volkstanz gelernt oder uns beim internationalen Abend durch verschiedene Länder gegessen. Spannend war auch zu erfahren, mit welchen Problemen im Bereich des Natur- und Klimaschutzes die Menschen aus den anderen Ländern zu kämpfen haben. Beispielsweise hat Rumänien die höchste Population an Bären in Europa, von denen bei uns in Deutschland kein einziger in freier Wildbahn existiert. Dadurch tun sich natürlich ganz andere Herausforderungen im Bereich Artenschutz auf. Doch eins verbindet uns alle: Wir sind durch die jetzigen und noch kommenden Probleme der Klimakrise vereint und müssen diese auch gemeinsam bewältigen. Das ist auch durch den Vortrag über Klimaangst deutlich geworden. Dort konnten wir gemeinsam unsere Zukunftsängste und -sorgen teilen und an Lösungsstrategien arbeiten. Denn auch wenn die Klimakrise im Allgemeinen oft angsteinflößend ist und Klimaschutz so frustrierend sein kann, teilen wir alle gemeinsam diese Gefühle und können diese vor allem zusammen europaweit lösen. Das Camp hat uns motiviert, auch in Zukunft gemeinsam an europaweiten Strategien weiterzuarbeiten und diese vor Ort umzusetzen.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Lisa Kirtz
Referentin für Klimagerechtigkeit
kirtz @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-49
Fotos: Fernando Flores / Pixabay unter CC0, AMES, Madre Selva, AFEDES, Santos Inocanta Jólon Batzín
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