Kleidung
Maquila Delegationsreise nach El Salvador
28. Januar 2015 / Caspar Dohmen
Mit der Hand macht Isabel den vier Jugendlichen ein Zeichen, als wir aus dem Bus steigen. Dann führt sie uns durch ihr Viertel. Wir passieren einen kleinen Gang, queren ein Rinnsal, spazieren die Dorfstraße entlang. Dort steht ein Jugendlicher, Kappe quer auf dem Kopf, tief sitzende Jeans und im Nacken eine Tätowierung, die 18, Zeichen einer der beiden Gangs mit tausenden Mitgliedern, die weite Teile des Landes terrorisieren. Isabels Dorf ist in der Hand der „18“. Unser Besuch hat der kleinen, resoluten Frau deswegen einige schlaflose Nächte bereitet. Zunächst hat sie „nein“ gesagt, als man sie fragte, ob sie einer Gruppe aus Europa ihr Zuhause zeigen wolle. Dann hat sie sich doch durchgerungen, weil sie erzählen will von den Lebensbedingungen einer Näherin in den Maquilas.
Die 49-Jährige arbeitet schon mehr als zwei Jahrzehnte in den Fabriken, ist eine von heute über 70.000 Arbeiter*innen, die in den Freihandelszonen des Landes für den Export nähen. Deswegen hat sie vorige Woche mit den Gangmitgliedern gesprochen, erklärt wer da kommt. Und sie hat das OK bekommen, dass wir unbehelligt bleiben. Vor acht Jahren hat sie ihren Mann rausgeschmissen. Jetzt bringt sie ihre fünf Kinder alleine durch. Sie lebt mit ihnen in einem kleinen Haus. Im Raum trennen abgehängte Decken winzige Bereiche ab, wo man schlafen, kochen oder nähen kann. In der Mitte des Raumes steht eine uralte Nähmaschine, der ganze Stolz Isabels. Sie erzählt, wie sie regelmäßig nach der Arbeit in der Maquila hier bis tief in die Nacht sitzt und näht, für ihre Kinder, für Nachbarn, manchmal auch für sich selbst ein Stück, das ihr besonders gefallen hat. Trotz des Zusatzverdiensts geht ihr regelmäßig das Geld aus. Wie sie über die Runden kommen, will ich wissen? Sie sorge dafür, das stets Bohnen, Zucker und Tortillas im Haus seien. Und wenn es gar nicht mehr gehe, dann müsse sie im Laden anschreiben lassen. Das sei regelmäßig der Fall, wenn sie ihren Lohn wieder einmal verspätet ausgezahlt bekomme.
Sie nähe für ihr Leben gerne, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Die Arbeit in den Maquilas sei jedoch Ausbeutung, der Druck hoch, die Bezahlung mies. Sie hofft inständig, dass ihre Kinder andere Arbeiten finden. Ihr großer Traum ist es, dass sie gefeuert wird und eine Abfindung erhält. Davon will sie sich dann eine Industrienähmaschine kaufen. Dann könnte sie nur noch daheim arbeiten und besser auf ihre Kinder aufpassen. Gerade ihr jüngster Sohn macht ihr große Sorgen. Dessen bester Kumpel sei in der Gang. Immer wieder sagt sie ihm deswegen, er wisse doch wo die Gangmitglieder enden, im Gefängnis oder auf dem Friedhof. Bisher hat sie es geschafft, aber man spürt wie hart der Kampf für sie ist. Sie ist herzkrank und hat ein Nierenleiden. Erst gestern habe ihr die Ärztin gesagt, sie müsse sich operieren lassen. Aber das komme nicht in Frage, sie müsse doch Geld verdienen. Dann führt sie uns zurück durch das Dorf zum Bus, vorbei an einigen coolen Jugendlichen, die sichtlich Gangmitglieder sind und einer Menge verstohlener Blicke aus den Häusern. Isabel ist heilfroh, als wir in den Bus gestiegen sind und gemeinsam zum Haus der Näherinnengewerkschaft fahren.
Vom 26. Januar bis zum 6. Februar 2015 hat die CIR eine Delegationsreise zum Thema „Maquila“ (spanisch für Bekleidungsfabrik) ins mittelamerikanische Land El Salvador unternommen. Gemeinsam mit Journalist*innen und entwicklungspolitischen Multiplikator*innen aus Deutschland sowie Mitarbeiterinnen von Nichtregierungsorganisationen aus Rumänien, der Slowakei und Bulgarien trafen wir Partnerorganisationen der CIR aus der Menschen- und Arbeitsrechtsarbeit. Auf dem Reiseplan standen u.a. Treffen mit Fabrikarbeiter*innen, Betriebsgewerkschaften sowie Arbeitsrechtler*innen.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Maik Pflaum
Referent für El Salvador, Kleidung, Spielzeug
pflaum @ci-romero.de
Telefon: 0911 – 214 2345
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