„Es ist ihnen nicht gelungen, mich zum Schweigen zu bringen.“

Bernardo Caal Xol

Die Kriminalisierung von Umweltschützer
Bernardo Caal Xol

Er ist Lehrer, Umweltaktivist und indigener Gemeindevertreter aus Guatemala. Als einer der Aktivisten für den Schutz des heiligen Flusses Cahabón im Departmento Alta Verapaz wurde er landesweit bekannt – und letztlich kriminalisiert. Sein Fall steht beispielhaft für die Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger*innen durch ein korrumpiertes Justizsystem.

Interview: Knut Henkel

Porträtfoto von Bernardo Xaal Col, Umweltaktivist, Lehrer und indigener Gemeindeaktivist aus der Region Alta Verapaz.
Bernardo Xaal Col, Umweltaktivist, Lehrer und indigener Gemeindeaktivist aus der Region Alta Verapaz.
Foto: Knut Henkel

Wer ist Bernardo Caal Xol?

Ich bin ein indigener Dorfschullehrer, gehöre dem Volk der Maya Q’eqchi’ an und solange ich mich zurück erinnern kann, haben wir in unseren Lebensräumen nach unseren eigenen Konzepten und Strategien gelebt. Die haben ein friedliches Zusammenleben gewährleistet. Ich habe studiert, wurde Lehrer und habe lange in meiner Gemeinde Xepos unterrichtet. 2012 änderte sich dann alles: Schweres Gerät tauchte in der Region auf, die von zwei Flüssen durchzogen wird – dem Río Cahabón und dem Río Ox-eek’.

Es ging um den Bau von Wasserkraftwerken. Wurde die Bevölkerung informiert und um ihr Einverständnis gebeten?

Nein, wir wurden nicht informiert, nicht gefragt, ob wir mit der Umleitung der Flüsse, dem Bau von Staudämmen und mehr einverstanden waren. 2015 begannen die Bauarbeiten und auf den Baufahrzeugen waren immer die Namen von zwei Unternehmen zu sehen: Soler und Cobra. Wir haben die Namen auf den Webseiten der Ministerien wiederentdeckt und so festgestellt, dass Lizenzen für Wasserkraftwerke vergeben worden waren, ohne dass wir Maya Q’eqchi’ informiert und nach Zustimmung gefragt wurden, wie es die ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker vorsieht. Die ist von Guatemala unterzeichnet worden und auch von den spanischen Stromunternehmen, die vor unserer Haustür Kraftwerke bauen.

Was passierte dann?

Wir begannen uns zu koordinieren und fuhren in die Hauptstadt, um gegen die Vergabe von Konzessionen ohne Beteiligung der lokalen Bevölkerung zu protestieren. Der Fall wurde publik und schnell wurde klar, dass die Lizenzen für die Kraftwerke vom Minister für Energie und Minen vergeben wurden: Eric Archila. Der wird heute mit Haftbefehl gesucht. Mich hat damals die lokale Bevölkerung ernannt, um die Verhandlungen zu führen, Verträge aufzusetzen und den Widerstand zu koordinieren.

Das brachte sie für mehr als vier Jahre ins Gefängnis.

Richtig, allerdings begann die Diffamierung früher und sie hält an. Heute muss ich regelmäßig vor Gericht erscheinen, um mich gegen den Vorwurf zu wehren, dass ich ein Gehalt als Lehrer bezogen hätte, ohne zu unterrichten. Richtig ist, dass ich aufgrund meiner gewerkschaftlichen Arbeit freigestellt war. Ich habe mich in Vollzeit für die Lehrergewerkschaft engagiert. Das versuche ich den Richtern seit einem Jahr mit allen nötigen Dokumenten zu belegen. Doch sie lassen nicht locker – es geht darum, mich zu diskreditieren und zu kriminalisieren

Am 24. März 2022, wurden Sie aus dem Gefängnis entlassen. Über ein Jahr später müssen Sie sich immer noch vor Gericht verantworten. Wie kommt das?

Es laufen zwei Verfahren gegen mich: eines, das vom Staat initiiert wurde und in dem ich mich gegen den Vorwurf wehren muss, unrechtmäßig ein Lehrergehalt bezogen zu haben. Das zweite Verfahren wurde von der Firma Oxec angestrengt, die mehrere Wasserkraftwerke am Río Cahabón baut. Gegen deren Bau habe ich mich gemeinsam mit anderen engagiert. Ich wurde angezeigt, Elektrokabel gestohlen und mehrere Mitarbeiter des Bauunternehmens Netzone SA gemeinsam mit anderen Aktivisten festgehalten zu haben.

Sie wurden am 30. Januar 2018 verhaftet, im November des gleichen Jahres zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und vier Monaten wegen schweren Raubes und Freiheitsberaubung verurteilt. Zu Recht?

Natürlich nicht. Die Richter haben mich verurteilt, obwohl sie sich nur auf die Aussagen von drei oder vier Netzone-Mitarbeitern berufen konnten. Es gab keine Videos, keine Fotos, keine unabhängigen Zeug*innen – das war ein fabrizierter Prozess. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die von Amnesty International, die mich 2020 zum Gewissensgefangenen erklärten. Auch Expert*innen der Vereinten Nationen haben meine Haftstrafe als den Versuch bezeichnet, mich zum Schweigen zu bringen und zu diskreditieren. Doch das ist nicht gelungen.

Wer ist dafür verantwortlich, dass sie mehr als vier Jahre unschuldig in Haft saßen?

Gute Frage. Guatemalas Justiz hat in den letzten Jahren das letzte Bisschen ihrer Unabhängigkeit verloren. Es gibt in Guatemala eine Gruppe von Personen, die die Justiz kontrollieren, die unter fadenscheinigen Vorwänden gegen unbequeme Richter*innen ermitteln lassen, sie mit Haft bedrohen, sodass sie ins Ausland fliehen. Es gibt Staatsanwält*innen, die im Gefängnis sitzen, obwohl sie nur ihre Arbeit gemacht haben. Andere, gegen die derzeit ermittelt wird, die kriminalisiert werden. So wie ich auch. Wir leben in einem Land, wo der Rechtsstaat beerdigt wurde. Dafür gibt es auch im Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen am 25. Juni zahlreiche Belege.

An was denken Sie – die Nominierung der Kandidat*innen?

Ja, genau. Mehrere Kandidat*innen, darunter mit Thelma Cabrera eine aussichtsreiche Indigene, wurden vom Höchsten Wahlgericht nicht zugelassen – unter wenig stichhaltigen Vorwänden.

Hat das System?

Ja, da bin ich mir sicher. Guatemala ist ein Land, in dem alle staatlichen Institutionen von einem Pakt von Korrupten aus Politik, Wirtschaft und Militär übernommen und kontrolliert werden. Das ist die bittere Realität aus meiner Sicht und daran wird sich mit den Wahlen kaum etwas ändern. Schon gar nicht, wenn unbequeme Kandidaten vorher ausgesiebt werden.

Porträt von Christian Wimberger

Ich bin für Ihre Fragen da:

Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimbergernoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 – 674413-21

Mehr zu Menschenrechten