Modeunternehmen

H&M

H&Ms Goldesel

Der Modekonzern H&M hat für 2018 versprochen, dass alle 850.000 Näher*innen seiner „Gold“-Zulieferfabriken einen existenzsichernden Lohn bekommen sollen. Deshalb hat die Kampagne für Saubere Kleidung in diesen „Vorzeigefabriken“ nachgeforscht. Die Ergebnisse sind schockierend.

25. September 2018

Alle befragten Arbeiter in der Türkei, Bulgarien, Kambodscha und Indien erhalten nur einen Bruchteil eines existenzsichernden Lohns
Zur Studie "Vom Versprechen existenzsichernder Löhne und der Realität der Armutslöhne"

„Die Löhne sind so niedrig, dass wir Überstunden machen müssen, um unsere grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen.“, sagte eine Näher*in einer indischen Fabrik, der H&M seinen Gold-Status bescheinigt. In Indien, Kambodscha, der Türkei und Bulgarien – nirgends verdienen die befragten Arbeiter*innen auch nur annähernd genug, um Essen, Kleidung, Wohnung, Medikamente und Bildung für die Familie zu bezahlen.

Arbeit macht arm

In Kambodscha verdienen die Angestellten der H&M Zulieferfabrik zwar etwas mehr als bei der letzten Untersuchung 2016, das liegt aber weniger an den Bemühungen von H&M, sondern daran, dass der gesetzliche Mindestlohn seitdem von umgerechnet 140 auf 170 Euro angehoben wurde. Die Inflation frisst allerdings den tatsächlichen Zugewinn der Arbeiter*innen fast komplett auf.
In der Türkei und Bulgarien liegen der Mindestlohn und sogar die Armutsgrenze paradoxer Weise höher, als der Lohn der Befragten. Besonders verheerend ist die Lage in Bulgarien. Dort verdienen die interviewten Arbeiter*innen selbst mit 40 Überstunden pro Woche noch nicht einmal zwei Drittel dessen, was die EU als Armutsgrenze definiert. Man könnte also resümieren: Arbeit macht arm.

Armut macht krank

Eine Mutter dreier Kinder aus Indien berichtet, dass sie oft das Frühstück ausfallen lasse, um pünktlich in die Fabrik zu kommen, obwohl sie schon um 4.30 Uhr aufstehe, um Haushalt und Kinder zu versorgen. Da sie nach 11 Stunden Arbeit oft noch zu (weiteren) Überstunden genötigt werde, sei sie schon zweimal in Ohnmacht gefallen.
„Wir haben keine Wahl“, sagt ihre Kollegin aus einer anderen H&M „Vorzeige“-Fabrik in Bulgarien. „Wir betreten die Fabrik um 8 Uhr früh, aber wir wissen nie, wann wir gehen dürfen. Manchmal wird es 4 Uhr morgens.“ Auch dort sind Ohnmachtsanfälle – vor allem bei Frauen – keine Seltenheit.
Auf die Frage, wie sie mit den niedrigen Löhnen zu Recht kämen, antworteten alle befragten Arbeiter*innen in Kambodscha, dass sie am Essen sparten. Eier, Milch oder andere eiweißreiche Nahrung können sie sich selten oder gar nicht leisten.

Abhängigkeit macht Angst

H&Ms Plan hin zu existenzsichernden Löhnen für die Arbeiter*innen der „Gold“-Zulieferer sah unter anderem vor, Gewerkschaften in den Fabriken zu stärken, sodass diese selbst für bessere Löhne eintreten könnten. Doch auch da hat sich nicht viel getan, wie man am jüngsten Fall der indischen „Gold“-Fabrik Shahi Unit 8 sieht, bei der die Bildung einer unabhängigen Betriebsgewerkschaft gewaltsam unterdrückt wurde. Am Ende sorgten Gewerkschaften vor Ort mit Unterstützung der Kampagne für Saubere Kleidung, der Allianz für einen asiatischen Grundlohn und dem Worker Rights Consortium dafür, dass ein Vermittlungsprozess in Gang kam.
Auch in der Türkei, Bulgarien und Kambodscha hatten die Arbeiter*innen Angst, überhaupt Fragen zu ihrer Arbeit zu beantworten, weil dort offensichtlich ein Klima der Abhängigkeit vorherrscht.
Bleibt die Frage, wofür die untersuchten Fabriken von H&M den „Gold“-Status bekommen? An der Qualität der Arbeitsbedingungen oder der Höhe der Löhne kann es offensichtlich nicht liegen. Es scheint eher, als betrachtete H&M die Näher*innen nach wie vor als ihre Goldesel – der Konzern machte im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Gewinn.

H&M muss jetzt umkehren und sein Versprechen einhalten!

Petition: H&M, halte dein Versprechen!

Studie „Vom Versprechen existenzsichernder Löhne und der Realität der Armutslöhne“

Studie herunterladen
Kurzfassung herunterladen
Stellungnahme der Kampagne für Saubere Kleidung zu H&Ms Reaktion (27.9.2018)
Hintergrund: H&Ms „Living Wage Roadmap“ herunterladen
Kampagnenwebseite turnaroundhm.org

Die Studie wurde durchgeführt von der internationalen Clean Clothes Campaign (Kampagne für Saubere Kleidung, kurz: CCC). Koordiniert wurde sie von Bettina Musiolek vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen, das wie die CIR Mitglied der deutschen CCC ist.

Porträt von Maik Pflaum

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Maik Pflaum
Bereichsleitung Ausland, Referent für El Salvador, Kleidung, Spielzeug
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