Foto: Luiz Parahyba
Fair und nachhaltig ist im Trend – aber wo werden solche Produkte eigentlich hergestellt und wie kommen sie nach Deutschland? Darüber berichteten 14 Kleinbauern und Vertreter*innen für fairen Orangensaft vom 10.-18. Februar 2023 auf ihrer Reise.
Die Delegation war in Deutschland, um über die Situation kleiner und mittlerer Produzent*innen und Landarbeiter*innen in Brasilien zu sprechen. Mit der Reise möchte die Romero Initiative (CIR) auf der einen Seite die Marktposition brasilianischer Kleinbäuerinnen und -bauern stärken: In den Ländern des Globalen Nordens muss die Nachfrage nach fairen Produkten erhöht werden.
Auf der anderen Seite diente die Reise dazu, die brasilianische und die deutsche Zivilgesellschaft zu vernetzen und Potenziale alternativer Agrarmodelle aufzeigen. „Gerade in Anbetracht der immer rasanter voranschreitenden Klimakrise brauchen wir Reformen und neue Konzepte, um den Agrarsektor zukunftsfähig und resilient zu machen, ohne dabei zu Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen beizutragen“, sagt Dr. Andréa Moraes Barros, CIR-Referentin für nachhaltigen Orangensaft und Brasilien, die die Reise organisiert und begleitet hat.
Etwa zwei Milliarden Menschen arbeiten und leben dauerhaft auf dem Land, vor allem in Ländern des Globalen Südens. Ein Großteil der ländlichen Bevölkerung leidet unter Hunger und Armut. Ursachen dafür sind Vertreibungen, Enteignungen und fehlende Mindestlöhne, insbesondere verschuldet durch schlechte Agrarpolitik. Kleinbäuerinnen und -bauern müssen vielerorts ihr Land verlassen, um Platz für Großplantagen der industriellen Landwirtschaft zu schaffen. Die Folge: Vormals fruchtbares Land ist in wenigen Jahren durch Überbewirtschaftung und übermäßigen Pestizideinsatz tot.
Dass es auch einen anderen Weg gibt, Land zu bewirtschaften – ohne Ausbeutung oder Umweltzerstörung – darauf machte die Delegationsreise aufmerksam. Die CIR arbeitet seit Jahren zum Thema Orangensaft, der in Brasilien für den deutschen Markt hergestellt wird.
Direktor des landwirtschaftlichen Sekretariats des Verbands der Landarbeiter und Familienbauern von Sergipe (Fetase)
Ricardo Alves ist Kleinbauer und arbeitete bereits für verschiedene Gewerkschaftsbewegungen sowie das Sekretariat für die festangestellten Landarbeiter*innen. Heute ist er neben seiner Tätigkeit als Direktor von Fetase auch Bildungsreferent seiner Gemeinde Sergipe.
„Wir hoffen, dass wir auf dieser Reise einen reichen Erfahrungsaustausch haben und darauf aufbauend die kleinbäuerlichen Familienbetriebe weiter stärken können. Besonders spannend ist zu sehen, wie andere Kulturen in den verschiedenen Städten mit der Thematik umgehen. Dieser Austausch kann dann unseren Landwirt*innen in Brasilien helfen.“
Technischer Leiter der landwirtschaftlichen Genossenschaft der Nordküste von Bahia (Coopealnor)
Als Sohn von Landwirt*innen eines Familienbetriebes besuchte er einen technischen Kurs in Landwirtschaft an der Schule „Família Agrícola“. Derzeit ist er technischer Leiter von Coopealnor und verantwortlich für die Fair-Trade-Zertifizierung von fairem und biologischem Handel.
„Mein Ziel ist es, mit dieser Reise die Bedeutung des Genossenschaftswesens und kleinbäuerlicher Familienbetriebe auf dem Saftmarkt aufzuzeigen und die Marketingbeziehungen nach Deutschland zu stärken. Darüber hinaus wünsche ich mir höhere Marktchancen für Fair-Trade-Produkte und globale Solidarität.“
Präsident der Union der Landarbeiter*innen von Itabaianinha (Cooperin)
Der Aktivist studierte Pädagogik und ist heute Mitglied von Cooperin und Präsident der Union der Landarbeiter*innen der Gemeinde.
„Ich glaube, dass Genossenschaften heute vor großen Herausforderungen stehen. Diese bestehen darin sich selbst zu stärken, Informationen mit anderen Genossenschaften auszutauschen, um zu sehen, was schon erreicht wurde und welche Innovationen wir in Brasilien implementieren können. Das ist, was ich von dieser großartigen Reise erwarte.“
Landwirt und Geograph des Sekretariates für Agrarpolitik der nationalen Konföderation der Landarbeiter und Familienbauern (Fetag)
Arnaldo Brito ist Landwirt und Geograph mit Spezialisierung auf Kooperativismus. In seiner Arbeit bei Fetag befasst er sich zudem mit Querschnittsthemen wie ländlicher Wohnungsbau, Umweltschutz und ökologische und faire Produktion. Bevor er dort aktiv wurde, arbeitete der Geograph für „Pastoral da Terra Commission“.
„Diese Reise durch Deutschland wird dazu dienen, mehr über die Perspektive Europas über wichtige Themen des Umweltschutzes zu erfahren. Diese betreffen nicht nur uns in Brasilien, sondern alle weltweit. Zum Beispiel stehen wir heute vor der Möglichkeit, in eine biologische Produktion zu investieren, die frei von Pestiziden ist. Zudem müssen wir der Frage des fairen Marktes nachgehen, denn es ist notwendig, dass alle Arbeiter*innen und Produzent*innen genug für ihre Arbeit verdienen.“
Präsident der Nationalen Konföderation der ländlichen angestellten Personen (Contar)
Gabriel Bezerra war Leiter der Landarbeitergewerkschaft von Arroio Grande (RS) und des Generalsekretariats der Föderation der Angestellten von Rio Grande do Sul. Heute ist er Präsident der Konföderation Contar, die etwa vier Millionen Menschen in ganz Brasilien vertritt.
„Wir haben in unserem Land eine herausfordernde Zeit durchgemacht, mit Rückschlägen für Angestellte in vielerlei Hinsicht. Mit dieser Reise ergibt sich eine außergewöhnliche Möglichkeit, um über unsere Erfahrungen zu sprechen. Insbesondere über die Auswirkungen von Pestiziden auf die Gesundheit und Sicherheit von Landarbeiter*innen. In Brasilien wurden bereits mehr als 1.500 Gifte freigesetzt, die sich direkt auf das Leben unserer Arbeiter*innen auswirken.“
Mitarbeiter des Sekretariates für Agrarpolitik der Föderation der Landarbeiter, Bauern und Familienbauern in Bahia (Fetag-BA)
Schon während seiner Zeit als Landwirt eines kleinbäuerlichen Familienbetriebes setzte sich Paulo Ricardo für die Verteidigung von Arbeitsrechten ein. Jetzt engagiert er sich im Rahmen seiner Arbeit für Fetag-BA.
„Es ist sehr wichtig, dass wir gute Beziehungen zu anderen Ländern haben, um die Rolle der kleinbäuerlichen Familienbetriebe in der Gesellschaft hervorzuheben. Nicht nur, weil sie Arbeitsplätze und Einkommen schaffen, sondern weil sie sich auf die Gesundheit von Produzenten*innen und Verbraucher*innen auswirken. Ganze 70% der von Brasilianer*innen konsumierten Lebensmittel stammen aus Familienbetrieben. Lasst uns diese Größe zeigen!“
Mitarbeiterin und Vorstandsmitglied des Sekretariates für Agrarpolitik der Föderation der Landarbeiter*innen, Bauern und Familienbauern in Bahia (Fetag-BA) und CTB
Die Landwirtin eines Familienbetriebes hat einen Master in landwirtschaftlicher Erziehungswissenschaft. Neben ihren Ämtern bei Contag, FETAG-BA und CTB und ist Vânia Marques Pinto außerdem Bildungsreferentin in ihrer Gemeinde.
„Nachhaltige Entwicklung, gesunde Ernährung und Ernährungssouveränität! Nur mit Land, Wasser und der Umstrukturierung der öffentlichen Politik ist es möglich, Nahrungsmittel in nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen zu produzieren, die die Würde aller respektieren. Eine starke kleinbäuerliche Landwirtschaft wird von glücklichen Menschen getragen.“
Managerin des Projekts „Nachhaltige Orangen“ und Koordinatorin der Allianz für Menschenrechte in Produktionsketten in Brasilien
Tássia Camila de Oliveira Carvalho ist promovierte Politikwissenschaftlerin und beschäftigt sich mit Themen der internationalen Zusammenarbeit. Zusätzlich zu ihrer Arbeit als Managerin des Projekts „Nachhaltige Orangen“ in Brasilien und Koordinatorin der Allianz für Menschenrechte in Produktionsketten ist sie Vertreterin der Zivilgesellschaft in Panao.
„Die Art und Weise, wie reiche Länder Handels-, Landwirtschafts-, Umwelt- und Klimapolitik machen, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensqualität der Arbeitnehmer*innen in Ländern des Globalen Südens. Umso wichtiger, dass sich die Zivilgesellschaft organisiert, um so Landwirt*innen und Verbraucher*innen in ihrem Einsatz für Ernährungssicherheit, der gerechten Verteilung von Land und menschenwürdiger Arbeit zusammenzubringen.“
Projektanalyst bei Repórter Brasil für Projekte zum Schutz der Menschenrechte in Produktionsketten
Carlos Eduardo ist Jurist und unterstützt seit 17 Jahren Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und Gewerkschaften beim Aufbau von Tarifverträgen, insbesondere in den Exportketten von Agrar- und Tierprodukten. Lange Zeit war er Berater der Föderation der Landarbeiter*innen, Bauern und Familienbauern in Bahia (Fetag-BA) sowie der nationalen Konföderation der Landarbeiter*innen (Contag). Dabei vertrat er die Organisationen zwischen 2011 und 2022 in der nationalen Kommission für die Beseitigung der Sklavenarbeit – CONATRAE. Außerdem beteiligte er sich am Aufbau der nationalen Politik für Landarbeiter*innen der brasilianischen Regierung. Derzeit arbeitet er als Projektanalyst bei der CIR-Partnerorganisation Repórter Brasil.
Beraterin bei Conectas Direitos Humanos für das Programm zur Verteidigung von Sozial- und Umweltrechten
Die Juristin mit Master-Abschluss in internationalen Menschenrechtsrechten und Spezialisierung auf Arbeitsrecht leitet die Agenda zu moderner Sklaverei und unsicheren Arbeitsplätzen.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass Rohstoffe weiterhin auf Kosten der Würde von Arbeitnehmer*innen und unter Verletzung sozialer und ökologischer Rechte produziert und gehandelt werden! Die neuen Sorgfaltspflichtgesetze sind eine Chance, dies zu ändern – aber nur, wenn sie die Visionen des Globalen Südens von gerechteren und nachhaltigeren Produktionsketten berücksichtigen. Partnerschaften mit Organisationen aus dem Globalen Norden sind für uns äußerst wichtig, um zum Beispiel für eine wirksame Rechenschaftspflicht der großen Unternehmen zu kämpfen. Diese Möglichkeit haben wir auf unserer Reise in Deutschland.“
Kleinbauer und Vorstandsmitglied der Genossenschaft ECOCITRUS
Renato Schommer ist Familienlandwirt in der Gemeinde Barão im Bundesstaat Rio Grande do Sul und Gründungsmitglied der Genossenschaft ECOCITRUS. Derzeit ist der dort zudem festes Vorstandsmitglied.
„Unser Ziel ist die Produktion von sauberen Lebensmitteln, insbesondere Zitrusfrüchten, Wertschätzung der Arbeit der kleinbäuerlichen Familienbetriebe und deren soziale Inklusion. Diese Familien haben größte Bedeutung!“
Wissenschaftlerin und Vertreterin des Business and Human Rights Resource Centre Brasilien (BHRRC)
Marina Novaes ist Juristin und hat einen Masterabschluss in Sozialgeschichte. Sie ist Spezialistin für Menschenrechte, insbesondere im Wirtschaftssektor und bei der Bekämpfung von Sklavenarbeit. Während ihrer Karriere sammelte sie sowohl Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung als auch in NGOs wie dem BHRRC.
Das BHRRC ist eine internationale NGO, die die Auswirkungen von Unternehmen auf die Menschenrechte überwacht und die Informationen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stellt. Ihre Aktionsfelder sind Arbeitsrechte, faire Energiewende, Umwelt und Rechte sowie Technologie.
Staatsanwalt für Arbeitsrecht im Bundesland Bahia, Brasilien
Ilan Fonseca ist Initiator des Programms „Produktivketten“ der Koordinationsstelle zur Abschaffung der Sklavenarbeit Conaete, welches in der Bundes-Staatsanwaltschaft Brasiliens angesiedelt ist. Außerdem entwickelte er die Veranstaltungsreihe „Kettenreaktion“, in deren Rahmen Fachgespräche zwischen Zivilgesellschaft, Unternehmen und Staatsanwaltschaft zur Umsetzung der Sorgfaltspflichen in Brasilien stattfanden. Allein im Jahr 2022 tauschten sich die Akteur*innen zu den Lieferketten von Kaffee, Zuckerrohr, Carnaúba und Orangen aus.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Dr. Andréa Moraes Barros
Projektkoordinatorin Multiakteurs-Partnerschaft Orangensaft, Brasilien
moraesbarros @ci-romero.de
Telefon: 0251 – 674413-23
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