9. Februar 2024
Der deutsche Metallkonzern Aurubis hat große Mengen Kupfererz aus Panama importiert. Dort hat ein illegales Bergbauprojekt eines kanadischen Unternehmens zu Umweltzerstörung und gewaltsamen Auseinandersetzungen geführt. Der Konflikt um die Mine stellt sowohl die Nachhaltigkeit der „Zukunftsmetalle“ von Aurubis als auch die Idee des „grünen Wachstums“ in Frage.
Fordern Sie Aurubis mit einer Protestpostkarte auf, die betroffenen Gemeinden zu entschädigen!
Immer mehr betroffene Gemeinden setzen sich gegen Mega-Bergbauprojekte in Lateinamerika und anderen Regionen des Globalen Südens zur Wehr. Doch selten reißt der Widerstand derart viele Menschen mit wie im vergangenen Jahr in Panama. Dort führte ein geplanter Vertragsabschluss zwischen der Regierung und dem kanadischen Bergbaukonzern First Quantum Minerals zu landesweiten Protesten.
Der Vertrag hätte es dem Unternehmen erlaubt, für die Mine „Cobre Panamá“ Ländereien innerhalb und außerhalb des Konzessionsgebiets zu enteignen. Außerdem hätte der Staat kaum Möglichkeiten gehabt, die Mine in der Provinz Colón an der Karibikküste zu kontrollieren. Das Brisante: Die Spur des Kupfers führt auch nach Deutschland, da das Hamburger Unternehmen Aurubis seit Jahren Kupfererz aus Panama importiert.
Großen Teilen der Bevölkerung erschien dieser Vertrag skandalös und neokolonial. Ein breites Bündnis organisierte Demonstrationen und blockierte die wichtigsten Straßen des Landes. Menschenmengen füllten im Oktober und November die Straßen zwischen den Wolkenkratzern in Panama-Stadt. „Wir müssen das Leben schützen. Der Reichtum eines Landes misst sich nicht am Geld, Metallen oder am Bruttoinlandsprodukt“, sagte eine Demonstrantin. Damit spricht sie vielen Panamaer*innen aus der Seele, denn einer Meinungsumfrage des Internationalen Zentrums für Politische Studien zufolge sind zwei Drittel der Bevölkerung der Umweltschutz wichtiger als Wirtschaftswachstum. Damit erteilen sie nicht nur dem Bergbauprojekt eine Absage, sondern dem Entwicklungsmodell des Extraktivismus an sich, das auf der Ausbeutung und dem Export von Rohstoffen beruht.
„Das Unternehmen Cobre Panamá operiert seit 2017 ohne Vertrag, also illegal, im Naturschutzgebiet mesoamerikanischer Biokorridor“, kritisiert der Umweltaktivist Gilberto „Cholo“ García, der in der Nähe der Mine lebt. Der Minenbetreiber habe den 12.000 Menschen in den Gemeinden, die teilweise indigenen Völkern angehören, Entwicklungsprojekte wie Gesundheitszentren und Schulen versprochen. Bis auf einige Gemüsegärten und punktuelle staatlich finanzierte Bildungsunterstützung wurde kaum etwas davon umgesetzt.
Dagegen berichten betroffene Gemeinden von massiver Umweltzerstörung. Die Mine hat einen gigantischen Krater in die Landschaft gerissen. Dort, wo das Kupfererz abgebaut wird, gibt es kein Leben mehr. Auf großen Flächen des 12.000 ha großen Bergbaugebiets wurde tropischer Primärwald abgeholzt. Zudem kam es immer wieder zu Fällen von Gewässerverschmutzung. Im August 2023 sichteten Anwohner*innen eine große Menge toter Fische im Fluss Pifá. Mitglieder der Gemeinde San Benito beobachteten im Dezember 2022, dass sich das Wasser des Flusses tagelang milchartig verfärbte und Schaum bildete. Die Staatsanwaltschaft führt aktuell sechs Ermittlungen aufgrund möglicher Schädigungen der Umwelt und des historischen Erbes durch. Es besteht die Gefahr, dass die in die Flüsse gelangten Abwässer giftige Schwermetalle enthalten und die Gesundheit der Bewohner*innen der Gemeinden im Umfeld der Mine gefährden. Viele Gemeindemitglieder wagen es deshalb nicht mehr, das Wasser der Flüsse zu nutzen. Vor den Bergbautätigkeiten hatten sie es die Kleinbäuer*innen und Fischer*innen zum Trinken, Kochen und Waschen verwendet, versichert Cholo García. Menschen, die das Wasser weiterhin benutzen, leben mit der Angst zu erkranken.
Deutschland hat zwischen 2019 und Ende 2023 laut dem Statistischen Bundesamt über 349.000 Tonnen Kupfererzkonzentrat im Wert von über einer halben Milliarde Euro aus Panama importiert. Diese Importe dürften erheblich zu den Umweltproblemen im mesoamerikanischen Biokorridor beigetragen haben. Das Unternehmen Aurubis mit Sitz in Hamburg importiert massenhaft Kupfererz aus Lateinamerika, Osteuropa und anderen Regionen und stellt daraus Kupfervorprodukte her. Bereits 2020 prangerte die CIR auf der Aurubis-Aktionärsversammlung an, dass das Unternehmen eine Umweltkatastrophe bei einem mexikanischen Lieferanten ignorierte. Die aktuelle Dokumentation „Schmutziges Kupfer“ des NDR zeigt, dass eine enorm hohe Krebsrate in der Bevölkerung der Atacama-Wüste Chiles mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine gigantische Kupfermine von Aurubis-Lieferant Codelco zurückzuführen ist.
Ein Blick in den Nachhaltigkeitsbericht von Aurubis von 2023 verrät, dass der Konzern 2021/22 sechs Prozent der Kupfererzimporte aus Panama bezog. Doch Aurubis legt die konkreten Lieferanten nicht offen. Diese intransparente Unternehmenspolitik kritisiert die Zivilgesellschaft seit Jahren. In diesem Fall ist die Sachlage jedoch eindeutig: „Es gibt in Panama nur eine Kupfermine. Deshalb ist es klar, dass die Importe aus ‘Cobre Panamá’ stammen“, versichert Cholo García.
Aurubis muss seit 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz umsetzen, nach dem Unternehmen Menschenrechte und bestimmte Umweltnormen in ihren Lieferketten einhalten müssen. Vieles deutet darauf hin, dass Aurubis seine Sorgfaltspflichten im Rahmen des Gesetzes verletzt hat. Denn die illegale Mine hat den Zugang von Menschen zu sauberem Wasser eingeschränkt und gewaltsame Konflikte geschürt. Als Romero Initiative haben wir deshalb die Möglichkeit des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes genutzt, eine Beschwerde bei Aurubis einzureichen. Das Unternehmen muss jetzt nachweisen, dass es ausreichende Maßnahmen ergriffen hat, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und zu beheben.
Im November 2023 eskalierte der Konflikt um die Mine in Panama. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstrierenden und die Blockaden der Gemeinde vor, wodurch zahlreiche Menschen verletzt wurden. Bei Auseinandersetzungen um die Mine starben insgesamt vier Personen. Der traurige Höhepunkt: Ein Video zeigt, wie ein Mann seelenruhig auf Demonstrant*innen zugeht, die die Panamericana-Fernstraße blockieren, und zwei Menschen erschießt. First Quantum Minerals, die Regierung und die Mineral-Importeure tragen mindestens eine Mitverantwortung für die Gewalt, da sie trotz des enormen Konfliktpotentials des Bergbauprojekts und des Vertrags ihre Interessen durchsetzten.
Der Oberste Gerichtshof Panama erklärte das Bergbauprojekt Anfang Dezember 2023 für verfassungswidrig. Nun müssen die Regierung und das Unternehmen die Kupfermine schließen. Doch für die Bevölkerung und die Natur sind die Gefahren nicht gebannt. Die Gemeinden und Umweltorganisationen befürchten, dass aus der Mine weiterhin giftige Schwermetalle gewaschen werden und Böden, Gewässer und die Luft vergiften. Investoren und Importeure haben Profite aus der Mine gezogen, die Bevölkerung bleibt mit den Schäden zurück.
Cholo García wird deshalb mit Unterstützung des Dachverbands Kritische Aktionär*innen und der CIR auf der Aktionärsversammlung von Aurubis am 15. Februar 2024 den Konzern mit den langfristigen Schäden der Mine konfrontieren. Er wird fordern, dass das Unternehmen als Entschädigung für seine Geschäftsbeziehungen mit einer illegalen Mine eine dauerhafte Prüfung der Wasser- und Bodenqualität, Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie Gesundheitschecks für die Bevölkerung finanziert. Zunächst muss Aurubis aber die Lieferbeziehungen zu der Mine beenden. Denn laut Cholo versucht das Bergbauunternehmen, eine Weiterführung der Mine zu erzwingen – u. a. indem es eine Schiedsgerichtsklage gegen den Staat Panama im Rahmen eines Freihandelsabkommens zwischen Panama und Kanada vorbereitet.
Aurubis stellt sich selbst als zentralen Akteur der Energiewende dar. „Ob Kupfer, Nickel, Zink oder Tellur – unsere Metalle sind unentbehrlich für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft“, preist sich Aurubis im Geschäftsbericht selbst an. Damit spielt der Konzern darauf an, dass Kupfer in großen Mengen für Solarzellen und Windkraftanlagen benötigt wird. Auch E-Autos enthalten mindestens dreimal so viel Kupfer wie konventionelle PKW. Aurubis ist ein zentraler Profiteur der Idee des „grünen Wachstums“, welche die aktuelle Bundesregierung sowie die EU umsetzen wollen. Demnach sollen fossile Energieträger wie Braunkohle, Erdöl und Gas durch erneuerbare Energieformen ersetzt werden, Verbrenner-PKW durch E-Autos. Ansonsten sollen die Menschen aber weiterhin neue PKW kaufen und für ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt immer weiter viel konsumieren. Das Problem dabei: Immer mehr private E-Autos auf den Straßen für den Individualverkehr brauchen immer mehr erneuerbare Energie – wofür es immer mehr mit Konflikten und Umweltzerstörung behaftete Metalle braucht.
Die argentinische Soziologin Maristella Svampa kritisiert, dass der ökologische Umbau der Wirtschaft auf die Energiewende reduziert werde, ohne die Ideologie des grenzenlosen Wirtschaftswachstums in Frage zu stellen. Diese Politik verschärfe neokoloniale Beziehungen zwischen dem globalen Norden und „Opferzonen“ im Süden. Der Widerstand gegen die Rohstoffausbeutung sollte Aurubis und den Verfechter*innen des „grünen Wachstums“ zu denken geben. Klimakrise und Naturausbeutung führen uns vor Augen, dass wir ein anderes Wirtschaftssystem brauchen. Eines, das auch soziale und globale Ungleichheiten bekämpft. Teil davon muss eine absolute Reduktion neu abgebauter Rohstoffe, eine Kreislaufwirtschaft und die wirksame Verpflichtung von Unternehmen auf menschenrechtliche Sorgfaltspflichten sein. Mit grenzenlosem Wirtschaftswachstum wird das nicht gehen.
Aurubis hat mit einer Stellungnahme schriftlich auf eine Anfrage der CIR reagiert. Das Unternehmen beschreibt darin zunächst allgemeine Nachhaltigkeitsmaßnahmen wie z. B. das Engagement in der Copper Mark. Aurubis gibt in der Stellungnahme zu, dass das Unternehmen bis zur Einstellung der Geschäftstätigkeit der Tagebaumine in Colón im November 2023 Kupfererzkonzentrat aus der Mine bezogen hat. Das Unternehmen räumt also die Lieferbeziehungen mit der Mine sowie die damit zusammenhängenden menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken ein. Aurubis werde laut Stellungnahme nach einer Untersuchung der Wasser- und Bodenqualität vor Ort über weitergehende Maßnahmen entscheiden. Die Verantwortung für die Mine liegt Aurubis zufolge aber vor allem beim Minenbetreiber und den örtlichen Behörden.
Aus Sicht der Aktivist*innen vor Ort und der CIR darf Aurubis die Verantwortung nicht alleine auf den Minenbetreiber schieben. Aurubis muss selbst die Gemeinden entschädigen und Wasserproben, den Zugang zu sauberen Wasserquellen und Gesundheitschecks finanzieren.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimberger @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21
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