„Wir Maya-Frauen können regieren!“

Angelina Aspuac

Was Angelina Aspuac als Gouverneurin von Sacatepéquez verändern möchte

Von der Maya-Basis in die Politik: Seit April 2024 ist Angelina Aspuac Gouverneurin der Region Sacatepéquez. Zuvor leitete sie die Organisation AFEDES, die sich für die Rechte der Maya-Weberinnen einsetzt. Als langjährige Unterstützerin von AFEDES gratuliert die CIR herzlich zu diesem Erfolg! Anfang dieses Jahres sprach Christian Wimberger mit der mutigen Frau über ihren Weg in die Politik – und die Herausforderungen, vor die ihre neue Aufgabe sie stellt.

Interview: Christian Wimberger (CIR)

Foto: Gobernación Sacatepéquez

Angelina Aspuac in ihrer neuen Rolle als Gouverneurin der Region Sacatepéquez.

Angelina, wie kam es dazu, dass du Gouverneurin wurdest? Für uns bei der CIR war das eine große Überraschung.

Aus Entrüstung über die Diskriminierung und Ausbeutung indigener Frauen in Guatemala habe ich vor vielen Jahren angefangen, bei der Organisation AFEDES zu arbeiten, die meine Mutter gegründet hat. AFEDES setzt sich dafür ein, das kulturelle Erbe der Maya-Weberinnen zu bewahren und es vor der Ausbeutung durch Bekleidungsunternehmen zu schützen.
Für uns gab es lange Zeit keine Möglichkeit, an politischen Entscheidungen teilzuhaben. Es gab zwar seit 1996 lokale Entwicklungsräte für die Zivilgesellschaft. Dort waren aber nur mestizische (in Lateinamerika gebräuchliche Bezeichnung für Menschen mit europäischen und indigenen Wurzeln) Frauen beteiligt. Sie haben uns indigene Frauen ausgeschlossen und gesagt, dass wir die Geschichte nicht kennen. Dieses Ausmaß an Rassismus kannte ich vorher nicht. Nach und nach wurden wir aber immer kritischer und haben die Teilhabe eingefordert. Ich habe mich zur Wahl gestellt und wurde gewählt.
Eine Zusammenarbeit mit den letzten Präsidenten Jimmy Morales und Alejandro Giammattei kam für mich aber nicht infrage. Als Bernardo Arévalo Präsident wurde und versprach, die Korruption zu bekämpfen, änderte sich die Situation. Die Kameradinnen von AFEDES ermunterten mich, für das Gouverneursamt zu kandidieren. Am Anfang hatte ich Angst. Aber dann sagte ich mir: Wir indigenen Frauen können regieren! Ich habe dann über Facebook erfahren, dass mich die Regierung ernannt hatte (lacht). Am Anfang konnte ich es nicht glauben.

Verstehst du dein Amt als Unterstützung für die Regierung Bernardo Arévalos?

Ja, definitiv. Ich bin nicht Mitglied der Regierungspartei Semilla. Die Arbeit unserer Organisation hat den Präsidenten überzeugt. Mir geht es vor allem darum, die Maya-Bevölkerung aus ihrer untergeordneten Position herauszuholen. Vor allem das Department Sacatepéquez ist sehr rassistisch. Hier leben viele indigene Menschen. Ihr kultureller Einfluss wurde aber systematisch zurückgedrängt. Viele Indigene leugnen ihre Identität. Das ist schwierig für mich. Aber viele Frauen und Mädchen, auch die mit bikulturellem Hintergrund, sind stolz darauf, dass eine Frau Gouverneurin ist.

Welche konkreten Pläne verfolgst du, um die Armut der Indigenen zu bekämpfen?

So wie die Institutionen hier funktionieren, kann man nicht alles von einem Tag auf den anderen ändern. Ein großer Teil meiner Arbeit besteht darin, die politischen Pläne und Gesetze der Regierung umzusetzen. Ich bin die Präsidentin des regionalen Entwicklungsrats, der über das Budget entscheidet. Ich entscheide aber nicht allein, sondern mit den Bürgermeister*innen und Institutionen. Es war für mich nicht einfach, mich als Chefin zu positionieren. Viele Mitarbeitende der Institutionen arbeiten gegen mich. Als Gouverneurin könnte ich die Leute strenger auf Linie bringen. Aber das ist nicht meine Art. Ich will sie dazu bringen, aus Überzeugung mitzuarbeiten

Denkst du, dass du während deiner Amtszeit etwas ändern kannst?

Ein Problem ist, dass die Finanzmittel sehr begrenzt sind. Unterernährung ist ein großes Problem. Die Behörde, die für den Kampf gegen Unterernährung zuständig ist, bringt nur Nahrungsmittel zu Kindern, die schon im Krankenhaus sind. Meine Kritik an der Regierung ist, dass die Institutionen teilweise wie früher weiterarbeiten. Es müsste aber neue Schwerpunkte geben. Zum Beispiel sollte der Erfahrungsaustausch zwischen armen Familien und solchen, die sich selbst mit Nahrungsmitteln versorgen, gefördert werden. Es können einige Dinge verändert werden. Ich hänge aber sehr von den Entscheidungen ab, die weiter oben in der Regierung getroffen werden.

Wie groß ist der Einfluss des sogenannten Pakts der Korrupten noch?

Wenn es nach mir ginge, würde ich z. B. den Landwirtschaftsminister austauschen. Der aktuelle Minister gehört aus meiner Sicht den rechten und korrupten Kreisen an. Das Problem ist, dass die Leute mit viel Regierungserfahrung an den vergangenen drei Regierungen beteiligt waren. Das sind die Korrupten. Und dann gibt es die Ehrlichen. Aber die haben keine Regierungserfahrung. Die Regierung musste im Kongress Zugeständnisse an den sogenannten Pakt der Korrupten machen, um Unterstützung für Gesetze zu bekommen. Die Macht dieser Leute ist nach wie vor sehr groß.
Vor einigen Monaten wurde ich schwer diffamiert. In einer landesweiten Zeitung wurde ich beschuldigt, in Korruptionsfälle verwickelt zu sein. Für mich war das ein Schock. Das war natürlich alles erfunden. Einige Bürgermeister*innen haben sich mit mir solidarisiert und auf einer Pressekonferenz gesagt, dass ich anständig und nicht korrupt bin. Das war ein positives Erlebnis im vergangenen Jahr.

Hast du noch Kontakt zu den Kolleginnen von AFEDES?

Sie unterstützen mich moralisch. Zum Beispiel kamen sie, als ich zum ersten Mal am regionalen Entwicklungsrat teilnehmen musste. Da wird hart diskutiert. Die Kameradinnen zu sehen, hat mir viel Kraft gegeben!

Porträt von Christian Wimberger

Ich bin für Ihre Fragen da:

Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimbergernoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21

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