Agrarökologie: Ganzheitlicher Ansatz für gerechtere Lebensmittelproduktion

Die Prinzipien der Agrarökologie

Unser Agrar- und Ernährungssystem richtet erhebliche Schäden für Mensch und Umwelt an.
Zeit für einen neuen sozial-ökologischen Ansatz: Agrarökologie

Wir fordern ein Agrar- und Ernährungssystem, das gute Lebens- und Arbeitsbedingungen, gesunde Lebensmittel, allgemeinen Zugang zu ihnen, intakte Ökosysteme und partizipative Entscheidungsprozesse beinhaltet. Unser Ziel ist eine sozial- und umweltgerechte Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung, bei der die Bäuerinnen und Bauern, handwerkliche Verarbeiter*innen sowie Verbraucher*innen im Zentrum der Entscheidungen stehen.
Die Agrarökologie bietet uns Perspektiven, wie dieser Wandel aussehen kann. Es ist ein Konzept, das zugleich auf ökologischen Prinzipien, dem politischen Ansatz der Ernährungssouveränität und dem Recht auf angemessene Nahrung basiert.
Wir betrachten Agrarökologie als ganzheitlichen und systemischen Ansatz, der Wissenschaft, Praxis und soziale Bewegung vereint. Dabei ist jede dieser Komponenten gleichermaßen wichtig.

Biologischer Vielfalt fällt eine Schlüsselrolle in der Agrarökologie zu, da sie die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln sicherstellt und natürliche Ressourcen schützt und fördert. Es gibt verschiedene Ansätze biologische Vielfalt umzusetzen.

Mehr zum Prinzip "Vielfalt"

Es gibt verschiedene Ansätze biologische Vielfalt umzusetzen. Eine davon ist die Agroforstwirtschaft. Dabei werden Feldfrüchte, Sträucher, Viehbestand und Bäume in unterschiedlichen Höhen und Formen auf verschiedenen Ebenen kultiviert, wodurch die vertikale Vielfalt zunimmt. Die Vielfalt sorgt dafür, dass natürliche Prozesse der Ökosysteme – wie beispielsweise die Bestäubung – stattfinden. Außerdem steigt dadurch die Produktivität und natürliche Ressourcen können effizient genutzt werden.
Dadurch, dass die biologische Vielfalt mehrere Einkommensquellen bietet (z.B. Tierhaltung und Landbau), erhöht sie nicht nur den ökologischen, sondern auch den sozio-ökonomischen Widerstand der Bäuerinnen und Bauern gegen ökonomische und ökologische Krisen und stabilisiert ihr Einkommen.
Auch für die menschliche Ernährung ist die biologische Vielfalt wichtig: Durch sie erhalten die Menschen eine große Abwechslung an Nährstoffen, die die Gesundheit der Bevölkerung gewährleistet. Die biologische Vielfalt nimmt derzeit jedoch rapide ab. Weltweit sind nur drei Nutzpflanzen für den Konsum von 50 Prozent aller eingenommenen Kalorien verantwortlich. Agrarökologie kann dabei helfen, diesen Trend umzukehren.

Das Wissen von indigenen Bevölkerungsgruppen, praktische Erfahrungen von Produzent*innen und Verkäufer*innen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzen sich im agrarökologischen Ansatz und werden gleichberechtigt behandelt.

Mehr zum Prinzip "Wissensaufbau und -austausch"

Bildung, sowohl formelle als informelle, ist besonders wichtig, um agrarökologische Innovationen zu entwickeln. Die Vernetzung betroffener Personen ist somit wesentlich effektiver, als der sogenannte top-down Ansatz, bei dem das Wissen nicht ausgetauscht, sondern „von oben“ vorgegeben wird.
Partizipative Prozesse und institutionelle Innovationen können dafür sorgen, dass ein gegenseitiges Vertrauen entsteht, sodass Wissensaufbau und -austausch ermöglicht werden.

Durch Synergien, die in der Agrarökologie eine bedeutende Rolle spielen, werden wichtige Funktionen der Lebensmittelsysteme gestärkt. Sie unterstützen somit die Produktion von Nahrungsmitteln und andere wichtige Eigenschaften der Ökosysteme.

 

Mehr zum Prinzip "Zusammenwirken und Bestärken"

Vor allem im Hinblick auf die Klima- und Biodiversitätskrise ist es wichtig, Synergien in Bezug auf ihre Bekämpfung zu stärken, um in beiden Bereichen Fortschritte zu erreichen.
Ein verbessertes Zusammenwirken fördert außerdem ökologische Funktionen und somit eine größere Ressourceneffizienz und Widerstandsfähigkeit (Resilienz). Während versucht wird, Synergien zu maximieren, kann es zu negativen Effekten kommen. Um dem entgegenzuwirken und um verschiedene Menschen und ihre Erfahrungen miteinzubeziehen, wird die Wichtigkeit von Partnerschaften, Kooperationen und verantwortungsvoller Steuerung in der Agrarökologie hervorgehoben.

Mit innovativen Methoden der Agrarökologie kann sowohl mehr produziert, als auch der Verbrauch von externen Ressourcen verringert werden. Die Vielfalt der Agrarökologie ist wichtig, damit Synergien entstehen und somit ein effizienterer Umgang mit den Ressourcen möglich ist. Vor allem natürliche Ressourcen, die kostenfrei zur Verfügung stehen (z. B. Sonneneinstrahlung, atmosphärischer Kohlenstoff und Stickstoff) sollen vermehrt genutzt werden.

Mehr zum Prinzip "Begrenzte Ressourcen wirksam nutzen"

Durch die Verbesserung der biologischen Prozesse und das Recyceln von Biomasse, Nährstoffen und Wasser können Produzent*innen den Verbrauch externer Ressourcen verringern, Kosten sparen und gleichzeitig negative Effekte auf das Ökosystem verkleinern. Da die Unabhängigkeit von externen Ressourcen gestärkt wird, steigt außerdem die Autonomie der Produzent*innen und sie sind besser gegen ökologische oder ökonomische Krisen gewappnet.
Die Agrarökologie fördert landwirtschaftliche Systeme, in denen die biologische, sozioökonomische und institutionelle Vielfalt eine höhere Effizienz unterstützen.

Das Konzept von Müll ist menschengemacht, da es in natürlichen Ökosystemen nicht existiert. Durch die Nachahmung natürlicher Ökosysteme kommen biologische Prozesse in Gang, die Nährstoffe, Biomasse und Wasser im Ökosystem recyceln. Ressourcen werden somit effizienter genutzt und Abfall und Verschmutzung vermieden.

Mehr zum Prinzip "Recycling"

Recyceln bietet viele Vorteile. Produzent*innen sind weniger auf externe Ressourcen angewiesen, sparen Kosten und erreichen eine größere Autonomie. Gleichzeitig wird ihre Gefährdung durch ökonomische und natürliche Krisen verringert.

Diversifizierung, also die Aufteilung der Tätigkeiten und des Anbaus auf verschiedene Produkte und Aktivitäten (keine Monokulturen, zusätzliche Tierhaltung etc.), stellt sicher, dass Produzent*innen eine größere finanzielle Unabhängigkeit erfahren und besser auf die Nachfrage der Konsument*innen reagieren können.

 

Mehr zum Prinzip "Widerstandskraft durch Diversifizierung"

Außerdem stärkt Diversifizierung die Widerstandsfähigkeit, da die Produzent*innen mehr Möglichkeiten haben sich von Ereignissen, wie extremen Wetterverhältnissen oder Schädlingsbefall zu erholen. Die biologische Vielfalt landwirtschaftlicher Systeme wird durch Diversifizierung gefördert, sodass Interaktionen zwischen Organismen entstehen, die zur Selbstregulierung gegen Krankheiten führen. Auch die sozioökonomische Widerstandskraft wird durch die Diversifizierung gesteigert, indem die Abhängigkeit von Produzent*innen von externen Eingaben verringert wird.

Partizipation fördert die soziale Organisation und Mitbestimmung in Entscheidungsfindungen von Produzent*innen und Konsument*innen. Eine dezentrale Steuerung und ein lokales, adaptives Management von landwirtschaftlichen Systemen werden dadurch ermöglicht.

Mehr zum Prinzip "Gleichberechtigte Mitbestimmung"

Agrarökologie rückt auch menschliche und soziale Werte in den Fokus, sodass die Lebensbedingungen der Menschen verbessert werden können. Die Autonomie und die adaptiven Fähigkeiten zur Förderung der landwirtschaftlichen Ökosysteme zu stärken, ermöglicht es den Menschen und Gemeinden, Armut, Hunger und Unterernährung zu überwinden und Menschenrechte zu fördern.
Auch die geschlechterspezifische Ungleichheit wird in der Agrarökologie thematisiert und durch speziell für Frauen entwickelte Projekte angegangen. Außerdem werden für die oft von Arbeitslosigkeit betroffene ländliche Jugend Perspektiven geschaffen. Das sogenannte Graswurzel-Paradigma befähigt die Betroffenen dazu, selbst Veränderungen herbeizuführen. Damit setzt dieses Paradigma also an der “Wurzel” an und ermöglicht eine Veränderung aus der Gesellschaft heraus.

Mit der Stärkung von gesunder, diverser und kulturell angepasster Ernährung kann die Lebensmittelversorgung gewährleistet werden und gleichzeitig die Gesundheit der Ökosysteme erhalten bleiben. Landwirtschaft und Essen sind essentielle Elemente des menschlichen Erbes und spielen eine zentrale Rolle in der Gesellschaft.

Mehr zum Prinzip "Gesunde und vielfältige Ernährung"

Das gegenwärtige System hat zu einer Trennung zwischen Ernährungsgewohnheiten und Kultur geführt. Hunger und Adipositas existieren nebeneinander, obwohl weltweit genug Nahrung produziert wird, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Agrarökologie versucht traditionelle Ansätze mit modernen Ernährungsgewohnheiten zu kombinieren, um eine gesunde Nahrungsmittelproduktion und einen gesunden Nahrungsmittelkonsum zu fördern.
Kulturelle Verfahren sowie indigenes und traditionelles Wissen bieten einen großen Erfahrungsschatz und können als Inspiration für agrarökologische Lösungen dienen. Mit diesem Wissen als Wegweiser kann die Agrarökologie helfen, die Möglichkeiten unterschiedlicher lokaler ökologischer Begebenheiten auszuschöpfen und die lokale Bevölkerung zu ernähren.

Die Bedürfnisse und Interessen der bäuerlichen Familienbetriebe, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und bäuerliche Lebensmittelproduzent*innen müssen anerkannt und unterstützt werden, da diese Personen als Manager*innen und Wächter*innen der natürlichen und genetischen Ressourcen fungieren.

 

Mehr zum Prinzip "Verantwortungsbewusste Steuerung"

Nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft erfordern verantwortungsvolle Führung auf verschiedenen Ebenen, wie zum Beispiel auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. Es braucht transparente, verantwortliche und inklusive Steuerungsmechanismen, um landwirtschaftliche Produzent*innen dabei zu unterstützen, ihre Systeme hin zur Agrarökologie zu verändern. Dabei sind Kooperationen zwischen den beteiligten Personen, Maximierung der Synergien und die Verringerung und Vermeidung von negativen Auswirkungen sehr wichtig.
Außerdem ist der Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen ausschlaggebend für soziale Gerechtigkeit und motiviert gleichzeitig zu Langzeitinvestitionen, die nötig sind, um Boden, Biodiversität und Ökosystemprozesse zu schützen.

Die Nähe und das Vertrauen zwischen Produzent*innen und Konsument*innen kann durch faire und kurze Verteilungsnetzwerke der Produkte und die Einbettung in die lokale Wirtschaft verstärkt werden. Innovative Lösungen ermöglichen es in den planetaren Grenzen zu leben, und gleichzeitig das soziale Fundament für inklusive und nachhaltige Entwicklung zu sein.

Mehr zum Prinzip "Solidarische Wirtschaftskreisläufe"

Diese fairen Lösungen sind auf die lokalen Ansprüche, Ressourcen und Kapazitäten abgestimmt, sodass sie einen gleichberechtigteren und nachhaltigeren Markt schaffen.
Soziale und institutionelle Innovationen sind wichtig bei der Umstellung zur Agrarökologie. Kurze Nahrungsmittelkreisläufe ermöglichen es, das Einkommen von Produzent*innen zu erhöhen und gleichzeitig einen fairen Preis für die Konsument*innen zu erhalten. Somit können Probleme wie die globale Lebensmittelverschwendung angegangen werden und die kurzen Nahrungsmittelkreisläufe sorgen zusätzlich für eine effizientere Nutzung der Ressourcen. Momentan wird ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel verschwendet, das sind circa zehn Prozent des weltweiten Energiekonsums. Diese verschwendeten Lebensmittel tragen nicht zur Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung bei, verschärfen jedoch den Druck auf natürliche Ressourcen.

Das Wohlbefinden der Tiere ist essenziell für die Agrarökologie und hängt von den Haltungsbedingungen ab.

Mehr zum Prinzip "Wohlergehen der Tiere"

Orientierung bieten die “fünf Freiheiten” der Tiere:
1. Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung,
2. Freiheit von Unbehagen und haltungsbedingten Beschwerden,
3. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheiten,
4. Freiheit von Angst und Stress,
5. Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensmuster.

Die Förderung und Sicherstellung des Wohlergehens des Bodens ist wesentlicher Bestandteil der Agrarökologie und wichtig für ein verbessertes Pflanzenwachstum. Dazu tragen der Erhalt und Aufbau organischer Substanz (Humus) und die Verbesserung der biologischen Aktivität des Bodens bei.

Mehr zum Prinzip "Wohlergehen des Bodens"

Außerdem kann ein gesunder Boden Erosionen vermeiden (Abtragung der oberen fruchtbaren Bodenschichten durch Wasser oder Wind). Erosion wird durch eine unsachgemäße Nutzung von Böden begünstigt, wie zum Beispiel durch Überweidung, Abholzung und Entfernung von Bodenbewuchs.

Die Agrarökologie fördert eine würdige und robuste Existenzgrundlage für alle Akteur*innen, die in Nahrungsmittelsystemen tätig sind, insbesondere für Kleinproduzent*innen von Nahrungsmitteln, auf der Grundlage von fairem Handel, fairer Beschäftigung und fairer Behandlung von geistigen Eigentumsrechten.

Jetzt neu mit agrarökologischen Kriterien:

Foto: Maren Kuiter

Ich bin für Ihre Fragen da:

Merle Kamppeter
Referentin für nachhaltige Agrarlieferketten, öffentliche Beschaffung
kamppeternoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 – 674413-61