Gemeinsam mit der Organisation FTDES hat die CIR Arbeitsrechtsverletzungen in einer Fabrik in Tunesien festgestellt, in der Militäruniformen genäht werden. Die Fabrik produziert für einen deutschen Hersteller, der nach eigenen Angaben bis vor kurzem die Bundeswehr belieferte. Die Beschaffungsstelle der Bundeswehr war nicht bereit, der CIR Auskunft darüber zu erteilen, ob weiterhin Lieferbeziehungen bestehen und welche Maßnahmen sie gegen die Arbeitsrechtsverletzungen ergreifen wird. Und das, obwohl die Bundesregierung die besondere menschenrechtliche Verantwortung öffentlicher Auftraggeber beim Einkauf anerkennt.
„Weder der Staat in Tunesien noch die Regierungen im Ausland kümmern sich um uns“, bedauert eine Arbeiterin einer tunesischen Textilfabrik in Bizerta im Norden Tunesiens im Interview mit der tunesischen Arbeitsrechtsorganisation FTDES. Davon muss sich auch die deutsche Bundesregierung angesprochen fühlen. Denn die Frau näht Militärbekleidung mit der Deutschlandfahne. Die Fabrik produziert für den Militärbekleidungshersteller Leo Köhler mit Hauptsitz im hessischen Poppenhausen. Leo Köhler belieferte wiederum nach eigenen Angaben bis vor kurzem die Beschaffungsstelle Bundeswehr für Bekleidung.
Im Auftrag der CIR führte die tunesische Arbeitsrechtsorganisation FTDES im November 2017 mit zehn Arbeiterinnen Interviews über die Arbeitsbedingungen in der Fabrik. Die Interviews legen offen, dass die Fabrikleitung die Vereinigungsfreiheit verletzt. Die Manager zerschlugen eine fabrikinterne Gewerkschaft, indem sie die Mitglieder bedrängten, diese zu verlassen. Zudem missbraucht die Fabrikleitung Arbeiter*innen als Spitzel, die kritische Arbeiter*innen denunzieren. Arbeiter*innen, die der Fabrikleitung nicht nahe stehen, werden den interviewten Arbeiterinnen zufolge diskriminiert und einem höheren Arbeitsdruck ausgesetzt. Damit werden in der Fabrik die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verletzt, deren Einhaltung öffentliche Auftraggeber häufig von den Lieferanten fordern.
Außerdem hält die Fabrik den befragten Angestellten die ihnen gesetzlich zustehenden Zusatzzahlungen vor. Die Arbeiter*innen klagen über den niedrigen monatlichen Mindestlohn (umgerechnet ca. 120 – 160 Euro): „Wir akzeptieren, für geringe Löhne zu arbeiten, weil wir keine andere Wahl haben. Die Löhne reichen aber nicht aus, um unsere Grundbedürfnisse abzudecken“.
Bei der Fabrik handelt es sich nicht wie meist um einen unabhängigen Zulieferer, sondern um eine unternehmenseigene Fabrik des Herstellers Leo Köhler. Als Besitzer könnte sich Leo Köhler also ohne Umwege für die Einhaltung der Arbeitsrechte in der Fabrik einsetzen. Stattdessen schaut das Unternehmen weg. Das spiegeln auch die Aussagen der Arbeiterinnen wider: „Die ausländischen Besitzer versuchen nicht, mit uns zu sprechen“, sagt eine Arbeiterin. Laut den interviewten Arbeiterinnen ergreift Leo Köhler keinerlei Maßnahmen, um die Fabrikleitung zur Einhaltung von Arbeitsrechten zu bewegen.
Als die CIR für eine Studie über die Einhaltung von Sozialstandards in der Berufsbekleidungsbranche Anfang 2016 recherchierte, war auf der Webseite von Leo Köhler noch folgende Information zu finden: Das Unternehmen beliefert die Bundeswehr mit bis zu 400.000 Bekleidungsstücken im Jahr. Mittlerweile hat das Unternehmen die Angabe geändert: „Jahrzehntelang war die Bundeswehr einer der größten Kunden“. Die Formulierung lässt offen, ob die Lieferbeziehungen beendet wurden oder ob sie (in geringerem Maße) fortbestehen.
Die CIR konfrontierte die Beschaffungsstelle der Bundeswehr Bw Bekleidungsmanagement im Februar 2018 mit den Arbeitsrechtsverletzungen. Das bundeseigene Unternehmen nahm sich circa sechs Wochen für eine Antwort Zeit, nur um der CIR dann mitzuteilen, dass es nicht befugt sei, Auskunft über die Geschäftsbeziehungen zu erteilen. Somit konnte die CIR nicht mit Sicherheit herausfinden, ob Leo Köhler immer noch die Bundeswehr beliefert. In der Stellungnahme vom 15.11.2018 gab Leo Köhler aber an, dass am 17.05.2018 ein Sozialaudit mit Bw Bekleidungsmanagement und TÜV Rheinland stattgefunden habe. Dass BwBM nach der Kommunikation mit der CIR ein Sozialaudit anstößt oder sich daran beteiligt, lässt vermuten, dass weiterhin Geschäftsbeziehungen zwischen BwBM und Leo Köhler bestehen.
Das intransparente Vorgehen der Bw Bekleidungsmanagement steht in Widerspruch zu Zielen im Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“, der Ende 2016 veröffentlicht wurde. Im Aktionsplan erkennt die Bundesregierung an, dass Bund, Länder und Kommunen eine besondere menschenrechtliche Verantwortung beim öffentlichen Einkauf haben. Bw Bekleidungsmanagement war aber nicht bereit, für Außenstehende nachvollziehbare Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Arbeiter*innen in der Fabrik zu ergreifen. Mit der Praxis, sich die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen von den Unternehmen lediglich per Unterschrift bestätigen zu lassen, verfügt Bw Bekleidungsmanagement überkeinerlei Gewissheit, ob sich die Lieferanten tatsächlich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzen.
Die CIR fordert die Bw Bekleidungsmanagement daher auf, glaubwürdige Nachweise wie Mitgliedschaften in Arbeitsrechts- oder Multistakeholder-Initiativen oder die Erfüllung bestimmter arbeitsrechtlicher Sorgfaltsmaßnahmen zu fordern. Die Bundesregierung muss ihren zentralen Beschaffungsstellen verbindliche Regelungen zur Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechte vorgeben.
Die CIR hat für die Studie gemeinsam mit dem CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung eine Befragung der Zentralen Beschaffungsstellen zum Thema sozial verantwortliche Beschaffung durchgeführt. Befragt wurden folgende Stellen:
Das Ergebnis der Befragung ist, dass es in einigen Beschaffungsstellen gute Ansätze zur sozial verantwortlichen Beschaffung gibt. Die Bundesregierung gibt ihren Beschaffungsstellen aber keine verbindlichen menschenrechtlichen Kriterien vor. In vielen Fällen akzeptieren die Beschaffungsstellen bloße Eigenerklärungen zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen. Die Generalzolldirektion und die Bw Bekleidungsmangement GmbH haben nicht an der Befragung teilgenommen und sind somit nicht transparent in Bezug auf ihre Beschaffungsvorgänge.
Die neue Studie enthält neben der Fallstudie zur Fabrik in Tunesien auch die Ergebnisse einer Befragung der Zentralen Beschaffungsstellen der Bundesverwaltung zu sozial verantwortlicher Beschaffung.
Studie herunterladen (Aktualisierung vom 19.11.2018)
Pressemitteilung vom 13.11.2018
Die Unternehmen Leo Köhler und Bw Bekleidungsmanagement reagierten in Stellunganhmen auf die Studie. Wir geben Sie hier unverändert wieder und kommentieren sie in einer eigenen Stellungnahme.
Stellungnahme von Leo Köhler vom 14.11.2018
Stellungnahme von Bw Bekleidungsmanagement vom 16.11.2018
Kommentar der CIR zu den Stellungnahmen von Leo Köhler und Bw Bekleidungsmanagement vom 19.11.2018
Bundestagsabgeordnete stellten zu dem Fall der Fabrik in Tunesien schriftliche Fragen an Bundesministerien.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimberger @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21
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