25. November 2021
An diesem 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, mobilisieren erneut Frauenorganisationen in Mittelamerika, um die besondere Betroffenheit von Frauen, Mädchen und LGBTI*-Menschen durch vielfältige Formen familiärer und sozialer Gewalt, bis hin zum Feminizid, anzuzeigen und zu verurteilen.
Sie verweisen dabei nicht nur auch auf die Zunahme gegenüber dem Vorjahr, sondern auch auf die immer deutlicher zum Vorschein kommende Mitverantwortung staatlicher Institutionen, v.a. Polizei, Armee und Staatsanwaltschaft, wegen unterlassener Hilfeleistung und mangelndem Schutz für Frauen, durch Vertuschung oder Bagatellisierung von Straftaten und auch wegen ihrer direkten Beteiligung als Täter.
In El Salvador wurde der Hashtag #Chalchuapa in diesem Jahr zum Synonym für zahlreiche Morde und Fälle des „Verschwindens“ von Frauen, die direkt auf das Konto von aktiven und ehemaligen Polizisten, Soldaten und Bandenmitgliedern gehen. Diese haben ihre Opfer auf geheimen Friedhöfen verscharrt; einer davon wurde in der Kleinstadt Chalchuapa, im Haus eines ehemaligen Polizisten, entdeckt. Die dort identifizierten Opfer wurden von der Polizei bisher nicht ins offizielle Register der Frauenmorde (102, Jan.-Sept. 2021) aufgenommen.
Feminizide sind auch in Guatemala auf einem Höchststand (538, Jan.-Okt.); ebenso werden auch in Honduras (210, Jan.-Sept) steigende Tendenzen verzeichnet. Wobei klar ist, dass die Ermordung von Frauen ja nur einer der Indikatoren der Gewalt ist, fataler Endpunkt einer Verkettung vielfältiger und langandauernder Gewalterfahrungen, in einem sozialen und kulturellen Umfeld, das diese Gewalt immer noch toleriert und begünstigt.
Als neue, besonders perfide Variante staatlicher Gewalt haben in diesem Jahr die autoritären Regierungen der Region neue Gesetze vorgelegt oder bereits zur Anwendung gebracht, die bestimmte regierungskritische Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter v.a. die feministischen Frauenorganisationen und unabhängige Journalist*innen, stigmatisieren und kriminalisieren. Es wird ihnen extrem erschwert, weiterhin finanzielle Unterstützung aus der internationalen Entwicklungskooperation und von Solidaritätsbewegungen für ihre wichtige Arbeit zu erhalten. Dies bedeutet: Es steht weniger Geld zur Verfügung für Bildungs- und Advocacyarbeit zur Einforderung von Menschen- und Arbeitsrechten, für investigativen Journalismus z.B. zum Thema Gewalt, für Maßnahmen zur Gendergerechtigkeit, zur Umweltproblematik, für den Schutz von Migrant*innen oder für die integrale Betreuung von Gewaltopfern.
Direkt betroffen sind davon Frauen in ländlichen Regionen und indigene Frauen, die zur Ernährungssicherheit ihrer Familien beitragen; Transgender-Frauen, die für einkommenschaffende Maßnahmen geschult werden; Arbeiterinnen in der Textilindustrie, die Arbeitsrechte einfordern; Frauen, die aufgrund einer Abtreibung oder Komplikation bei der Geburt hohe Gefängnisstrafen verbüßen; Frauen, die familiärer Gewalt ausgesetzt sind; junge Mädchen, die aufgrund mangelnder Aufklärung Frühschwangerschaften haben. Ihnen allen wird mit diesen Gesetzen der Zugang zu Bildung, Aufklärung, psychologischer Beratung, eigenem Einkommen, Rechtshilfe und integraler Gesundheit verwehrt.
Außerdem werden ihre Organisation und politische Beteiligung zur Einforderung ihrer Bedürfnisse und Rechte bei politischen Entscheidungsträgern beschnitten, sowie die Möglichkeit, sich deswegen an internationale Instanzen zu wenden. Die bewusst unscharfe und willkürliche Formulierung dieser Gesetze ermöglicht es den Regierungen, den Aktionsradius der Organisationen der Zivilgesellschaft stark einzuschränken, bis hin zur Aufkündigung ihrer Gemeinnützigkeit oder ihres kompletten Verbots.
In den letzten Tagen, als die Regierung El Salvadors im Schnelltempo ein solches Gesetz ohne jede gesellschaftliche Debatte und Beratung vom Parlament verabschieden lassen wollte, haben sich sowohl Vertreter*innen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) als auch der Vereinten Nationen dazu geäußert. Die gegen die Zivilgesellschaft verhängten oder angedrohten Sanktionen seien unproportional und seien eine klare Verletzung der Verpflichtungen bzgl. Menschenrechte von Seiten El Salvadors. Zeitgleich kündigte die Deutsche Botschaft in San Salvador an, wegen der unklaren und willkürlichen Gesetzeslage die Bewilligung neuer Kleinprojekte vorerst auszusetzen. Diese und andere internationale Stellungnahmen haben in den letzten Tagen bewirkt, daß die Verabschiedung des Gesetzes kurzfristig noch einmal von der Parlamentarischen Tagesordnung abgesetzt wurde; aber „vom Tisch“ ist es damit noch nicht.
Am 25. November werden deshalb feministische Organisationen in Zentralamerika, im Bündnis mit anderen Organisationen der sozialen Bewegungen, auch gegen diese neue Form staatlicher Gewalt auf die Straße gehen, die sich in den genannten vier Ländern der Region gegen Frauen, vom Staat vernachlässigte Minderheiten und allgemein gegen eine regimekritische Zivilgesellschaft richtet. Die CIR wird sie dabei, zusammen mit anderen NGOs, die im „Runden Tisch Zentralamerika“ vernetzt sind, durch gemeinsame Lobbyarbeit so gut es geht unterstützen.
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