Agrar & Umwelt

Bilanzpapier zu Agrarökologie

Bündnis fordert: Bundesregierung muss Lebensmittelversorgung und Landwirtschaft global krisenfester machen

Pressemitteilung vom 02. April 2020

Die Corona-Pandemie, klimabedingte Wetterextreme und das Artensterben zeigen, wie krisenanfällig das auf den Weltmarkt orientierte Ernährungs- und Agrarsystem derzeit ist. Das stellt ein zivilgesellschaftliches Bündnis von 54 Organisationen anlässlich der Veröffentlichung eines Bilanzpapiers der vergangenen zwölf Monate zur Stärkung der Agrarökologie seitens der Bundesregierung fest. Das Bündnis, zu dem auch die Christliche Initiative Romero (CIR) gehört, begrüßt darin erste positive Schritte des Bundestags und des Bundesentwicklungsministeriums für die Agrarökologie. Zugleich kritisieren die Organisationen aber die fehlende grundlegende Neuorientierung in der Agrar-, Klima- und Bioökonomiepolitik. Das Bündnis fordert mehr Politikkohärenz und eine stärkere Berücksichtigung von Agrarökologie bei der Umsetzung der Agenda 2030.

„Pandemien wie Covid-19, verheerende Tierseuchen oder die Klimakrise offenbaren wie krisenanfällig globale Wertschöpfungsketten und die exportorientierte Landwirtschaft sind“, sagt Lena Bassermann, Referentin für globale Landwirtschaft bei der Entwicklungsorganisation INKOTA. „Die globalen Krisen zeigen aber auch, wie wichtig starke regionale Märkte für die Versorgung mit vielfältigen Lebensmitteln und eine gesunde Ernährung sind.“ Damit dies gelingt, müssten die bäuerliche und kleinbäuerliche Landwirtschaft, lokale und regionale Vermarktungsnetzwerke und Stadt-Land-Verbindungen weltweit gefördert werden.

Agenda 2030 soll Agrarökologie stärker berücksichtigen

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gibt sich indes entschlossen, Agrarökologie künftig stärker zu fördern. Im vergangenen Jahr hat das BMZ erstmals ermittelt, inwieweit agrarökologische Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit bisher angewendet wurden. Demnach entfielen von Anfang 2014 bis September 2018 weniger als zehn Prozent der landwirtschaftlichen Mittelzusagen auf Vorhaben, die der Agrarökologie zugeordnet werden können. Der Bundestag hat im Juni 2019 deshalb beschlossen, dass die Bundesregierung Agrarökologie als Konzept zur Armutsbekämpfung auf dem Land fördern und mehr Mittel dafür bereitstellen soll. „Dies sind Lichtblicke und gute erste Schritte in Richtung Agrarökologie, die dringend konsequent und kohärent ausgebaut werden müssen“, kommentiert Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam Deutschland. „Nur mit holistischen Ansätzen wie der Agrarökologie können die globalen Nachhaltigkeitsziele erreicht und der Hunger beendet werden.“ Dies müsse bei der Agenda 2030 stärker berücksichtigt werden.

In seinem Papier fordert das zivilgesellschaftliche Bündnis die Bundesregierung auf, einen Fahrplan zur Ausweitung von agrarökologischen Ansätzen aufzustellen und die stufenweise Einstellung von chemisch-synthetischen Düngemitteln und Pestiziden in landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekten zu beschließen. Giftige Pestizide und synthetische Düngemittel gefährden die Gesundheit, zerstören wichtige Bodenorganismen, töten natürliche Feinde von Schädlingen und belasten das Grundwasser. „Besonders schlimm ist das Artensterben dort, wo intensive Landwirtschaft und Pestizide den Lebensraum zum Beispiel von Feldlerchen, Schmetterlingen oder Rebhühnern zerstören“, warnt Christian Rehmer, Leiter Agrarpoltik beim BUND. „Das ist ein europaweites Problem und erfordert ein Umdenken der Bundesregierung, zum Beispiel mit einer ökologischen EU-Agrarreform.“ Die Fähigkeit zur Selbstregulation im Agrarökosystem würde so verbessert.

Verbesserte Wertschöpfung für landwirtschaftliche Betriebe

Auch Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin im Allgäu und im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sieht das Potenzial: „Die Landwirtschaft in Europa und Deutschland würde von Agrarökologie profitieren, weil diese mit einer verbesserten Wertschöpfung für die Betriebe verbunden wird. Die Bundesregierung sollte sich für eine EU-Agrarpolitik einsetzen, die klimaverträglichen Ackerbau, Insektenschutz und viele und vielfältige Betriebe fördert.“

In ihrem Bilanzpapier stellen die Organisationen und Verbände aus Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit, bäuerlicher Landwirtschaft, Ökolandbau und Lebensmittelhandwerk sowie Ernährungsräten zehn Forderungen auf, mit denen der Umbau zu einer agrarökologischen Ausrichtung der Landwirtschaft vorankommen soll. Hier können Sie die Jahresbilanz Agrarökologie herunterladen (PDF 2 MB).

Kontakt

Lena Bassermann, INKOTA-netzwerk, E-Mail: bassermannnoSpam@inkota.de
Marita Wiggerthale, Oxfam Deutschland, E-Mail: mwiggerthalenoSpam@oxfam.de
Christian Rehmer, BUND, E-Mail: christian.rehmernoSpam@bund.net
Berit Thomsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, E-Mail: thomsennoSpam@abl-ev.de

Hintergrund

Im Januar 2019 haben 59 Organisationen und Verbände aus Umwelt, Entwicklung, bäuerlicher Landwirt­schaft, Ökolandbau und Lebensmittelhandwerk ihren Forde­rungskatalog an die Bundesregierung veröffentlicht. Die drama­tischen Entwicklungen innerhalb des letzten Jahres zeigen: Eine grundlegende Transformation der Agrar-­ und Ernährungssysteme durch holistische Ansätze wie Agrarökologie ist weltweit dringend erforderlich. Im jetzt veröffentlichten Bilanzpapier, das 54 Organisationen mitgezeichnet haben, sollen nun – ein Jahr später – Licht und Schatten der Regierungs­politik des Jahres 2019 aufgezeigt werden.

Foto: Maren Kuiter

Ich bin für Ihre Fragen da:

Thorsten Moll
Referent für Landwirtschaft, Klimagerechtigkeit, arbeitende Kinder
mollnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-22

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