Honduras

„Wir wollen keine Märtyrer*innen in unserer
Organisation“

Betty Vásquez gründete vor zwei Jahren die Umweltbewegung MAS (Movimiento Ambientalista Santa Barbarense). Im Gespräch mit uns gibt sie einen kleinen Eindruck der emotionalen Achterbahnfahrt zwischen Unterdrückung und Hoffnung.

INTERVIEW UND ÜBERSETZUNG:
KIRSTEN CLODIUS (CIR)
presente, Juni 2017

Als Frauen im Widerstand werden wir in Honduras kriminalisiert, man zeigt uns, dass man von unserem Einsatz nicht viel hält, dass unser Kampf nichts bringen wird, dass das wirtschaftliche System nicht zu verändern ist. Seit dem Staatsstreich habe ich miterlebt, wie die Militarisierung im Land weiter voranschreitet. Die Gewalt ist extrem angestiegen, nicht nur körperlich gegen uns und unser Leben, sondern auch gegen die Natur. Zurzeit ist es für uns wegen der ganzen Genehmigungen für Bergbauprojekte gefährlich und wir kämpfen dagegen, weil sie Gemeinden zerstören und umsiedeln. Das Gesetz zum Bergbau ist verfassungswidrig, wir haben keinen Rechtsstaat. Wir brauchen einen neuen Sozialpakt in Honduras und eine neue Verfassung. Aber das ist schwierig und solange engagieren wir uns hier auf regionaler Ebene für unsere eigenen Regeln. Aber wir werden bedroht. In meinem Fall aufgrund meines Aktivismus; weil es so aussieht, als wäre ich diejenige, die andere aufwiegelt, Vorschläge macht, berät, und die die Strategien erarbeitet. Dabei mache ich vielleicht gar nicht mehr als mich weiterzubilden, und ich habe nur mehr Energie unsere Ideen vorzutragen.
Ich habe Angst, dass man mir etwas Ähnliches antut wie Berta Cáceres oder meinen zwei Kindern, dass man mich kriminalisiert und der Staat mich für das verurteilt, was ich verteidige.

Santa Bárbara ist eine Gegend mit einer traditionell sehr künstlerischen Kultur. Wir haben hier viel Kunst, Musik, Gesang, Poesie, Literatur, Wandmalerei. Daher haben wir bei uns unterschiedliche Formen von Kämpfen und von Widerstand. Das haben wir nach und nach wiederentdeckt und in unserer Kultur neue Formen gefunden, uns auszudrücken. Hier im MAS verfolgen wir eine Strategie des gewaltlosen Widerstands. Gewaltlos auch im Sinne von Risikovermeidung.

Es gibt in Honduras keine Investitionen in Bildung, Gesundheit, Land und Zugang zu einem würdigen Leben. Aber die Hoffnung und der Glaube bleiben. Auch an die falschen Versprechungen, die uns alle vier Jahre von neuem gemacht werden. Und an die lokalen Regierungen, die das Volk nicht verraten werden. Und wir Frauen glauben weiter daran, dass wir das Patriarchat besiegen können. Dass wir mit unserer feministischen, antikapitalistischen, antipatriarchischen, antimilitärischen und antikolonialen Herangehensweise gegen ein unterdrückendes System ankommen werden. Wir wollen in unserer Organisation keine Märtyrer*innen. Ich möchte nicht, dass man mein Gesicht auf einem Plakat oder einem T-Shirt abbildet und dass man sich so an mich erinnert.
Das Besondere an den Menschen hier ist eine bestimmte Sensibilität für das Leben und die Mutter Erde. Die Spiritualität wird groß geschrieben. Die Bevölkerung ist gläubig. Die Menschen glauben hier an einen Gott des Lebens, an den Gott, der inmitten der Armen lebt und sie verteidigt, für Gerechtigkeit und Frieden kämpft. Hier mischen sich der Glaube der Ahnen, wie Maya und Lenca, mit dem Glauben der christlichen Kirche und mit dem Glauben von heute an das ‚Gute Leben‘ (El Buen Vivir), an Brüderlichkeit und das miteinander Teilen.
Und wir glauben hier daran, dass ein anderes Honduras möglich ist, dass ein neues Vaterland möglich ist. Es gibt hier sehr viel Kommunikation und Austausch, auch mit den anderen Dörfern und Gemeinden. Das ist unsere Stärke. Allerdings gibt es hier aufgrund der hohen Armut und mangels Arbeit viel erzwungene Migration. Vor allem junge Menschen wandern aus, um nicht weiter zu verarmen. Die Regierung hat uns verlassen.

Betty Vásquez, Foto: Kirsten Clodius (CIR)

Gruppe der Umweltbewegung MAS, Foto: Kirsten clodius (CIR)

Porträt von Kirsten Clodius

Ich bin für Ihre Fragen da:

Kirsten Clodius
Referentin für Honduras, Nicaragua
clodiusnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-18

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