Der weltweite Handel mit Kleidung steigt seit Jahrzehnten an. Und damit auch seine sozialen und ökologischen Folgen. Pro Kopf verbraucht der Kleidungskonsum der EU-Bürger 400qm Landfläche, 391kg Rohstoffe, 7.000 Liter Wasser und 270kg CO2-Äquivalent – pro Jahr. Zivilgesellschaft und engagierte Konsument*innen fordern die Hersteller auf, nachhaltiger und fairer zu produzieren. Während einige Unternehmen CSR-Abteilungen (Corporate Social Responsibility) eingerichtet haben, die sich um die soziale Verantwortung des Unternehmens in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft kümmern, begnügen sich andere damit ihre Homepage mit einem Absatz zu „Nachhaltigkeit“ aufzuhübschen. Zwei der Kritikpunkte an der Bekleidungsindustrie sind der hohe Verbrauch von Plastik und die geringen Recyclingquoten.
Es wird viel mit Polyester (PET) gearbeitet, welches häufig auch Virgin-Polyester genannt wird. Schätzungen gehen davon aus, dass 52% der weltweit verarbeiteten Kleidung aus Polyester bestehen. Unter anderem in der Sportindustrie steigen Umsatz und Gewinn der Hersteller, da nicht nur Sporttreibende zu den Käufern zählen, sondern auch zunehmend Sportfans und eine wachsende Gruppe von Menschen, die Sportkleidung vor allem aus modischen Gründen tragen. Weil sich Kleidung aus PET bisher schlecht recyclen oder abbauen lässt und dabei viele endliche Ressourcen wie Erdöl verbraucht werden, steht sie in der Kritik. Die Hersteller reagieren zunehmend auf diese Problematik.
Vor allem in der Herstellung von Sportkleidung erfolgt ein relativ zügiger Wechsel auf recyceltes Polyester (rPET). Die Hersteller werben damit, dass die Produkte besonders nachhaltig sein sollen. So wirbt zum Beispiel Jako mit seinem eigenen Label “Jako Fair” für seine Sporttrikots aus Recyclingpolyester. Abgesehen von der fragwürdigen Selbstbeschreibung “Fair” stellt sich die Frage, wie nachhaltig Recyclingpolyester wirklich ist. Die Antwort darauf ist komplex, denn es gibt neben einigen Vorteilen auch erhebliche Nachteile.
rPET bietet, wie auch PET, materielle Vorteile gegenüber nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel Baumwolle. Kleidung aus PET zeichnet sich durch ihre hohe Elastizität, Strapazierfähigkeit, einer einfachen Pflege und einer besonders langen Lebensdauer aus.
Hergestellt wird es aus Plastikmüll. Somit könnte der immer weiter zunehmende Müllberg, der unsere Umwelt insbesondere in den Meeren belastet, durch die Produktion theoretisch sinken. Schätzungen zufolge sollen ca. 150 Millionen Tonnen Plastikmüll in unseren Meeren schwimmen. Jedes Jahr kommen mindestens weitere 8 Millionen Tonnen dazu.
In der Theorie braucht rPET also kein neues Plastik und kein Erdöl.
Obwohl rPET aus Plastikmüll gewonnen wird, verursacht es mutmaßlich mehr Mikroplastik im Vergleich zu PET und landet über unsere Waschmaschinen in der Kanalisation. Selbst nach der Wasseraufbereitung in Kläranlagen bleiben die Rückstände im Wasser und landen in unseren Flüssen und schließlich im Meer. Dadurch wird Mikroplastik zunehmend in Nahrungsketten inkludiert.
Der Recyclingprozess, in dem rPET gewonnen wird, verbraucht viele Chemikalien und bildet dabei zu PET keine wirkliche Verbesserung. Dem Markt wird zwar zunächst viel Plastikmüll entzogen, aber das recycelte Material kann bisher selbst nicht wiederverwertet werden. De facto entsteht also keine Kreislaufwirtschaft. Das heißt aus einem eigentlich kreislauffähigem Rohstoff wird hier dann ein Produkt, welches sich extrem schwer abbaut und nicht wiederverwertet werden kann. Des Weiteren wird dem ebenfalls wachsenden Markt aus Recyclingplastikflaschen ein wichtiger Rohstoff entzogen und eine in diesem Markt mögliche Kreislaufwirtschaft deutlich schwieriger.
Hinzu kommt, dass rPET in der Kleidung oft mit anderen Materialien wie Baumwolle oder Elastan gemischt wird, was das Recycling erheblich erschwert. Bisher gibt es nur wenige Ansätze, Kleidung ausschließlich aus Recyclingpolyester als Monomaterial herzustellen, weshalb das Materialien kaum als echtes Recyclingprodukt betrachtet werden kann. Selbst wenn es als Monomaterial verwendet werden würde, bedeutet die theoretische Recyclingfähigkeit noch lange nicht, dass es nachhaltig sind. Nachhaltig wäre es erst, wenn es tatsächlich auch recycelt wird.
rPET-Kleidung vermittelt Verbraucher*innen den Eindruck, dass der stetig wachsende Plastikmüll in einen Kreislauf zurückgeführt und daraus neue Kleidung hergestellt wird. Tatsächlich gibt es nur wenige Länder mit hohen Recyclingquoten. Deutschland gehört zwar dazu, jedoch wird der Großteil des hier anfallenden Plastikmülls nicht zu rPET verarbeitet, sondern verbrannt, auf Müllhalden entsorgt oder ins Ausland exportiert. Die weit gefasste deutsche Definition von „Recycling“ führt daher oft zu einem irreführenden Bild für die Verbraucher*innen.
rPET verbraucht in der Produktion mehr Energie als herkömmliches Polyester, wenn man die Lebensdauer des Ursprungspolyesters mitrechnet. Rechnet man diese vorherige Lebensdauer als Plastikflasche nicht mit, ist der Energiebedarf in der Produktion niedriger als der von PET. Diese Einordnung hat natürlich erheblichen Einfluss darauf, ob wir das Material als nachhaltig verstehen oder nicht. PET und rPET verbrauchen in der Produktion aber beide deutlich mehr Energie als beispielsweise Bio-Baumwolle.
Bezüglich der CO2-Bilanz kann es aber nur als nachhaltiger als PET verstanden werden, wenn in der Produktion regenerative Energien verwendet werden. Da ein Großteil des aus China stammt und dort der CO2-Austoß in der Industrie weiterhin steigt, kann hier nicht pauschal angenommen werden, dass rPET eine bessere CO2-Bilanz hat als herkömmliches PET.
rPET wird von manchen als unendlich kreislauffähig eingeordnet und von anderen nicht. Grund hierfür dürfte vor allem die verschiedenen Aufbereitungsmethoden sein. Wenn altes PET chemisch aufbereitet wird – was erhebliche Folgen für die Umwelt, die Mitarbeitenden und die lokale Bevölkerung hat – lässt es sich leichter sehr lange als Kreislaufmaterial verwenden. Wird es aber vor allem mechanisch – also durch Hitze – aufbereitet, hat auch der Kunststoff Alterungserscheinungen und wird mit jedem neuen Aufbereiten brüchiger, weswegen dabei dann frisches PET hinzugefügt werden muss.
Recyclingpolyester hat das Potenzial nachhaltiger zu sein als Polyester. Das kann aber nur erreicht werden, wenn die Hersteller alle Stationen der Produktion und Rohstoffbeschaffung mitdenken. Wenn nicht geklärt ist, welchem Markt ich meinen Rohstoff entziehe und was nach der (sehr langen) Lebensdauer mit dem Produkt passiert, beschränken sich die Vorteile perspektivisch auf die Produktionsabfälle. Das ist zwar nicht zu verachten, aber auch nur ein kleiner Teil der weltweiten Textilabfälle. Es gibt Hersteller, die daran arbeiten, dass ihre Sportkleidung auch biologisch abbaubar ist und Mikroplastik und endliche Lebensdauer des Produkts keine Risiken mehr darstellen. Gleichzeitig sind wir Konsument*innen auch gefragt überlegter und weniger exzessiv zu konsumieren.
Das Potenzial von recyclebaren Fußballtrikots wird beispielsweise erst in mehreren Generationen ausgeschöpft werden, weil Konsument*innen die Produkte aufgrund ihrer Langlebigkeit und emotionalen Bedeutung selten entsorgen. Wenn wir also nicht anfangen weniger Polyesterkleidung zu kaufen, dann wird die Produktion davon weiter steigen und damit auch die vielen negativen Folgen. Ein paar gekaufte Recyclingshirts werden daran wenig ändern. Gleichzeitig ist auch der Gesetzgeber in der Pflicht strengere Vorschriften zur Kreislauffähigkeit der Produkte und zum Ressourcenverbrauch zu machen.
Für uns als Konsument*innen heißt das, dass ein Produkt als rPET immerhin besser sein kann als ein PET-Produkt, wenn wir vorher schauen, wie transparent der Hersteller bei diesen Recyclingprozessen ist. Wir sollten es nur kaufen, wenn wir keine Alternative ohne PET oder rPET haben und das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsbemühungen und Herausforderungen transparent darstellt.
Ein Kleidungsstück aus Biobaumwolle ist im Vergleich immer noch deutlich nachhaltiger.
Am nachhaltigsten bleibt, sich genau zu überlegen, welches Kleidungsstück wirklich gebraucht wird, mehr Kleidung zu reparieren oder reparieren zu lassen, und mehr Second Hand zu tragen. Es hilft auch, zu versuchen sich weniger Werbung von Bekleidungsherstellern auszusetzen. Die ständige Konfrontation mit optisch ansprechenden Produkten beeinflussen unsere Konsumentscheidungen unterbewusst und können zu impulsiven Käufen führen.
Wenn ihr mehr über die negativen Auswirkungen von Fast Fashion und mögliche Lösungen erfahren möchtet, schaut euch unser Wimmelbild „Exit Fast Fashion“ an. Dort sind die wichtigsten Missstände in der Bekleidungsindustrie und konkrete Ansätze für einen bewussteren Konsum und nachhaltige Alternativen anschaulich dargestellt.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Sandra Dusch Silva
Referentin für nachhaltige Lieferketten und Kleidung
dusch @ci-romero.de
Telefon: 030 - 41723800
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen