von Knut Henkel
Die Zahl der Hassverbrechen gegen Transfrauen und LGBTI*-Menschen gehen trotz aller vollmundigen Ankündigungen der Regierung von Präsidentin Xiomara Castro nicht zurück. Das hat Gründe und führt nicht nur unter Transfrauen zu Frustration und Flucht ins Exil.
Fabiola Yescos ist eine Rückkehrerin. „Ich habe die letzten sieben Jahre in Mexiko gelebt. Nun bin ich zurückgekommen, um mich sowohl medizinisch behandeln zu lassen als auch um mir selbst ein Bild zu machen, ob es unter Präsidentin Xiomara Castro für uns weniger gefährlich in Honduras geworden ist“, erklärt die 34-jährige Transfrau. Sie stammt aus Tegucigalpa, ist in einem der einfachen Viertel der Hauptstadt aufgewachsen und schon als Jugendliche bei Arcoiris aufgelaufen. „Ich bin eine der Überlebenden der ersten Generation, habe 2017 das Handtuch wie so viele andere geworfen und bin ins Exil gegangen“, erklärt die Transfrau.
Seit ihrer Rückkehr aus Mexiko vor ein paar Monaten ist Fabiola wieder täglich bei Arcoíris und hat da angeknüpft, wo sie vor sieben Jahren aufgehört hat: bei der Unterstützung und Aufklärung der Transfrauen auf den Straßen der Hauptstadt von Honduras. Aufklären, juristische Hilfe besorgen, sich gegen Übergriffe von Polizei und Militärpolizei wehren und gemeinsam für den Wandel in der Gesellschaft eintreten, das sind die Ziele der Muñecas von Arcoíris. So nennt sich die Transfrauen-Organisation unter dem Dach der Menschenrechtsorganisation Arcoíris, die sich seit 2003 für die Rechte der LGBTIQ-Community in Honduras einsetzt.
Erfolgreich, denn die gut vernetzten queeren Organisationen in den großen Städten des Landes, Tegucigalpa und San Pedro Sula, sind bis zum Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen, um den Tod der Transfrau Vicky Hernández im Jahr 2009 durch Sicherheitskräfte zu ahnden. 2021 erfolgte das Urteil mit dem der honduranische Staat schuldig gesprochen wurde, im Mai 2022 bat Xiomara Castro, seit dem 27. Januar 2022 amtierende Präsidentin, öffentlich um Entschuldigung für ihren gewaltsamen Tod. „Wir erkennen vor der internationalen Gemeinschaft, dem honduranischen Volk und der Familie von Vicky Hernández die Verantwortung des honduranischen Staats für die Ereignisse an, die zu ihrem Tod führten“, erklärte Castro.
Fabiola Yescos und Jlo Córdova, die Koordinatorin der Muñecas, hatten damals die Hoffnung, dass die klaren Worte Castros und ihr wiederholtes verbales Bekenntnis den Menschenrechten so etwas wie ein Wendepunkt sein würde.
Weit gefehlt, denn an der Gewalt, an der Diskriminierung und der Benachteiligung gegenüber der queeren Gemeinde hat sich nichts geändert, so Jlo Córdova. „Ich bin Ende Dezember nach Florida geflohen, weil ich eine Pause brauchte. Ich und meine Mitstreiterinnen der Muñecas werden permanent angefeindet und massiv bedroht: von der Militärpolizei“, sagt die 33-jährige Transfrau. Warum? Weil die Soldaten immer wieder übergriffig gegenüber den Transfrauen werden, die sich trotz Ausnahmezustands in Honduras an den einschlägigen Plätzen und Straßen prostituieren. „Wovon sollen sie sonst leben, in Honduras gibt es keine Jobs für Transfrauen“, erklärt Jlo Córdova. Weil sie immer wieder nachts mit ihren Kolleginnen unterwegs ist, die Transfrauen über ihre Rechte aufklärt und immer wieder Uniformierte anzeigt, werde sie bedroht: „Live und per Messenger“, erklärt sie und ist froh, dass sie gerade einmal Luft holen kann. Ende März wird sie nach Tegucigalpa zurückkehren, bis dahin übernimmt Fabiola gemeinsam mit Rubi Ferreira Teile ihres Jobs.
Der ist gefährlich, denn bisher sind 16 Muñecas ermordet worden, zuletzt Ende September letzten Jahre Soraya Álvarez. Sie ist eine von insgesamt 42-45 Mordopfern der queeren Gemeinde des Landes. Die endgültigen Zahlen sind noch nicht freigegeben, so Donny Reyes, Koordinator von Arcoíris. „Seit Xiomara Castro der Regierung vorsteht ist die Zahl der Morde pro Jahr angestiegen – um mehr als ein Drittel. Das hätten wir nie erwartet“, sagt der offen schwul lebende Mann, der Gründungsmitglied von Arcoíris ist.
„Das Problem in Honduras ist, dass wir ganz am Ende der Sozialpyramide stehen – de facto rechtlos sind. Das lässt sich auch an den Ermittlungserfolgen bei Hass-Verbrechen gegen Transfrauen ablesen“, ärgert sich die 34-jährige Fabiola Yescos. Ermittlungserfolge sind die Ausnahme nach Morden an Transfrauen, sie liegen gerade mal bei drei Prozent. Das zeugt auch von fehlendem Engagement der Ermittlungsbehörden, sind sich Donny und Fabiola sicher.
Frustration und Enttäuschung dominieren nach zwei Jahren unter Xiomara Castro, die zwar weiterhin Versprechen macht und gerade erst wieder eine kleine Mehrheit durch eine neue Parteienkoalition im Parlament hinter sich hat. „Positiv, aber wir glauben nicht mehr dran, dass sie für uns aktiv werden wird“, so Fabiola Yescos. Mit dieser Meinung ist sie nicht allein, denn die Schutzmechanismen, die es formal in Honduras gibt und die nicht nur gefährdeten queeren Menschen, sondern auch Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen sowie Journalist*innen helfen sollen, funktionieren nicht. Das zuständige Ministerium mache nur durch interne Zwistigkeiten Schlagzeilen, nicht durch gute Arbeit, kritisiert der Jesuitenpriester Padre Melo. Ein Ambiente, dem Fabiola Yescos alsbald wieder entfliehen wird. Sie will zurück nach Mexiko.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Anderson Sandoval
Referent für Auslandsprojekte
sandoval @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-58
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