Honduras

Widerstand gegen die ZEDE

Honduras ist der erste Staat weltweit, der privaten Unternehmen erlaubt hat, in besonderen Zonen eigene (Wirtschafts-)Enklaven einzurichten. Innerhalb dieser Enklaven haben die Gesetze und die Rechtsprechung des Landes keine Geltung. Stattdessen dürfen die Investor*innen ihr eigenes Regelwerk aufsetzen – mit verheerenden Konsequenzen für Umwelt und Menschenrechte.

Die Paradiesküste von Roatán, Honduras. Foto: Dieter Walther.

Was unglaublich klingt, ist bereits seit 2019 mit Gründung der ZEDE Próspera Realität. „Próspera“ bedeutet wörtlich übersetzt „Wohlstand“ und „Zona de Empleo y Desarrollo Económico“ – kurz ZEDE – ist die Bezeichnung für eine „Zone für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung“. Die Próspera-ZEDE liegt in einer paradiesischen Umgebung auf der Karibikinsel Roatán, verfügt über eine eigene Verfassung und arbeitet daran, eine autonom funktionierende Privatstadt zu werden, die sich auf große Teile des Staatsgebiets von Honduras und auch virtuell ausdehnen kann.

Experimente für Unsterblichkeit

Eine ZEDE ist gewissermaßen entstaatlichter Raum. Ein Traum für marktlibertäre Akteur*innen, die Demokratie und Sozialstaat ideologisch radikal ablehnen. Die ZEDE bieten ihnen die ersehnte Spielwiese für gewinnorientierte Pilotprojekte nach totalkapitalistischem Vorbild.

Ein besonderes Merkmal der Próspera-ZEDE ist ihr Fokus auf technologische Innovationen im medizinischen Bereich und FinTech-Unternehmen. Von Januar bis März 2024 beherbergte Próspera die Start-up-Initiative für Langlebigkeit Vitalia. Zahlende Bewohner*innen konnten sich hier an menschlichen Experimenten für Unsterblichkeit beteiligen und gemeinsam den Grundstein für ein sogenanntes Zukunftsprojekt legen, das sich rechtlich unter normalen Bedingungen kaum durchführen ließe. So hieß es auf Vitalias Webseite: „Wir möchten eine Stadt aufbauen, um Innovationen zu beschleunigen und den Tod optional zu machen.“

Die unmittelbar angrenzende Gemeinde Crawfish Rock, die von einer indigenen, Schwarzen Bevölkerungsgruppe (BIPoC: Black Indigenous People of Color) bewohnt wird, wurde von der Einrichtung der ZEDE komplett überrascht. Seither leistet sie heftigen Widerstand, der immer wieder gewaltsam unterdrückt wird. Es heißt, der CEO von Próspera ermuntere zur Verteidigung seines Projekts sogar Angestellte dazu, sich gegen kritische Stimmen zu organisieren.

Menschen protestieren gegen Modelstädte in Honduras.

Menschen protestieren gegen Modelstädte in Honduras.. Foto: Johannes Schwaebel.

Das schürt offenbar Gewalt: Bei einer Versammlung im Dezember wurde Venessa Cárdenas, der stellvertretenden Vorsitzenden des Gemeinderats von Crawfish Rock, mit einem Stein die Nase gebrochen. Besonders alarmierend für die Einheimischen: Auf Entwicklungsplänen, die zwischenzeitlich öffentlich zugänglich waren, war Crawfish Rock praktisch von der Landkarte verschwunden und das Gebiet gänzlich von Próspera eingenommen. Die Zukunft der Gemeinde ist ungewiss.

Widerstand gegen Ausbeutung

Außer Próspera wurden in Honduras noch die ZEDE Morazán City in der Nähe von San Pedro Sula und Orquídea im Süden Honduras ins Leben gerufen. Im ganzen Land ist die Sorge der Bevölkerung groß, denn soziale und ökologische Auswirkungen liegen auf der Hand: Ausbeutung der Rohstoffe, der Energiequellen und der touristisch verwertbaren Naturgüter; Enteignungen, Zwangsumsiedlungen, Korruption, der Verlust von Kultur- und Naturerbe und vieles mehr ist in den ZEDE möglich, wenn die Investor*innen es wünschen. Flächendeckend gab es gegen die Zonen von Beginn an eine organisierte Widerstandsbewegung, an der sich auch Partnerorganisationen der CIR beteiligten.

Der Protest der Zivilgesellschaft zeigte bereits Wirkung. Zunächst hielt die Präsidentin Xiomara Castro nach ihrer Wahl das Versprechen, für die Abschaffung der ZEDE einzutreten, die ihr Vorgänger Juan Orlando Hernández ermöglicht hatte. Sie setzte Anfang 2022 die Aufhebung des sogenannten ZEDE-Gesetzes durch. Dieser Aufhebungsbeschluss war ein wichtiger Schritt für die Wahrung der nationalen Souveränität von Honduras. Allerdings geben die multinationalen Konzerne und Investor*innen ihr Paradies nicht her und setzen ihre Tätigkeiten ungehindert fort.

Mehr noch: Im Dezember 2022 reichten die Betreiber*innen von Próspera eine Milliardenklage gegen Honduras vor einem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten mit Sitz in Washington ein. Für zukünftig ausfallende Gewinne fordern sie eine Summe von knapp elf Milliarden US-Dollar, was ungefähr einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts von Honduras entspricht.

Fehlende Fortschritte, magelnde Transparenz

Expert*innen räumen der Klage keine großen Chancen ein. Dennoch hat sie eine bedrohliche Wirkung. Allein die hohe Summe bedeutet eine Schwächung des Widerstands gegen die ZEDE und sorgt für Verunsicherung. Ein weiterer Fallstrick bei der endgültigen Abschaffung der Sonderwirtschaftszonen ist eine nicht rückgängig gemachte Verfassungsänderung von 2012, in der ZEDE grundsätzlich anerkannt werden. Mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative wäre sogar die Einrichtung neuer Zonen möglich.

Zuallererst steht die Regierung jedoch vor der Herausforderung, gegen den Willen libertärer Mächte aus dem Ausland und im eigenen Land die bereits funktionierenden ZEDE zu stoppen. Die CIR unterstützt die nationale Widerstandsbewegung, deren Forderung an die Regierung wie folgt lautet: „Wir fordern, dass der Staat Honduras mit all seinen Institutionen die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung der Aufhebung der ZEDE durchführt. (…) Jede Unterlassung von Maßnahmen ist eine Komplizenschaft zugunsten ihres Fortbestehens.“

Porträt von Kirsten Clodius

Ich bin für Ihre Fragen da:

Kirsten Clodius
Referentin für Honduras, Nicaragua
clodiusnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-18