Bergbau

Kriminalisierung gegen fünf Bergbaugegner nimmt kein Ende

Im Januar 2023 wurden fünf Umweltaktivisten aus Santa Marta festgenommen. Sie befinden sich nach monatelanger Haft inzwischen im Hausarrest. Anfang April 2024 fanden vorläufige Gerichtsanhörungen statt: Die Anwält*innen der Aktivisten forderten die Staatsanwaltschaft auf, die Beschuldigungen fallen zu lassen. Doch der Richter gab der Anklage wegen eines in den 1989 begangenen Mordes statt. Die Zivilgesellschaft vermutet hinter der Kriminalisierung eine Strategie der Regierung, um den Weg für umweltschädlichen Goldbergbau zu bereiten.

Foto: ADES Santa Marta

Der Andrang auf den Gerichtssaal am Morgen des 3. April 2024 war groß. Viele Unterstützer*innen aus der Gemeinde Santa Marta im Department Cabañas waren angereist, um ihren kriminalisierten Mitstreitern Beistand zu leisten. Vertreter*innen von nationalen und internationalen Organisationen sowie Mitarbeiter*innen der Botschaften der EU, Frankreich, England und Deutschland konnten aufgrund des Platzmangels zunächst nicht in den Gerichtssaal gelassen werden. Die Verteidiger*innen der fünf Männer forderten die Staatsanwaltschaft auf, die Anklagen gegen sie fallen zu lassen, da die Staatsanwaltschaft keine Beweise für die Anschuldigungen vorlegen konnte. Nach einer stundenlangen Anhörung entschied das Gericht, den Prozess zu vertagen. Auf der zweiten Anhörung am 10. April gab der Richter der Klage statt, wodurch es zum Strafprozess gegen die fünf Männer kommen wird. Die salvadorianische Zivilgesellschaft und ihre internationalen Unterstützer*innen sehen darin eine besorgniserregende Instrumentalisierung des Strafrechts zum Zwecke der Verfolgung und Einschüchterung von Menschenrechtsverteidiger*innen.

Die fünf Männer aus Santa Marta waren am 11. Januar 2023 verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, 1989 eine Frau ermordet zu haben. Damals herrschte in El Salvador ein bewaffneter Konflikt zwischen repressiven Regierungen und der linken Guerrilla-Vereinigung FMLN, der auch die fünf Angeklagten angehörten. Nach der Verhaftung mussten die Beschuldigten acht Monate unter teilweise schwierigen gesundheitlichen Bedingungen in Untersuchungshaft verbringen, bis ein Richter im August 2023 anordnete, die Haft in Hausarrest umzuwandeln.

Repression gegen Bergbaugegner

Die fünf Aktivisten engagieren sich bei der CIR-Partnerorganisation ADES, die sich seit Jahren für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung in der Region Cabañas einsetzt. Unter den Angeklagten befindet sich u. a. der Geschäftsführer von ADES Antonio Pacheco. ADES war maßgeblich am Widerstand gegen ein geplantes Gold-Bergbauprojekt des kanadischen Bergbauunternehmens Pacific Rim (später Oceana Gold) beteiligt. Nachdem in Cabañas bis 2012 vier Umweltaktivist*innen unter immer noch ungeklärten Umständen ermordet wurden, formierte sich im Land eine breite Protestbewegung gegen den umweltschädlichen metallischen Bergbau. Der Druck auf die damalige linke Regierung der FMLN führte schließlich dazu, dass das Parlament 2017 ein gesetzliches Bergbauverbot verabschiedete – ein historischer Erfolg für die Umweltbewegung in dem kleinen mittelamerikanischen Land!

Die Zivilgesellschaft vermutet hinter der Kriminalisierung der Aktivisten einen Versuch der rechtspopulistischen Regierung des Präsidenten Nayib Bukele, Bergbau im Land wieder zuzulassen. „Wir glauben, dass dahinter die Absicht steckt, die Umweltaktivist*innen einzuschüchtern, und das Interesse, Bergbau zu reaktivieren“, sagte Vidalina Morales, Präsidentin von ADES, vor dem Gerichtsaal. Tatsächlich gibt es Indizien, dass Bukele Bergbauprojekte zulassen will, wie der Bericht einer internationalen Delegation darlegt. So sah das Regierungsbudget für 2023 4,5 Millionen US-Dollar vor, um die Bergbaugesetze zu „modernisieren“. Außerdem nahm Bukele an einem Treffen mehrerer Regierungen zum Thema Bergbau teil. Umweltschützer*innen durch gezielte Kriminalisierungen zum Schweigen zu bringen und dadurch ihre Mitstreiter*innen zu erpressen, könnte Teil der Strategie sein, den Weg für Investitionen in Minen zu ebnen.

Die nahezu absolute Herrschaft des Präsidenten

Nützlich könnte Bukele dabei auch die zunehmende Machtkonzentration durch seine Regierung sein. Seit seinem Amtsantritt 2019 hat Bukele die Unabhängigkeit der Gerichte weitgehend beendet. Im März 2022 verhängte er einen bis heute gültigen Ausnahmezustand, um Bandenmitglieder ohne Rechtsbeistand und auf unbestimmte Zeit verhaften zu können. Im Rahmen des Ausnahmezustands wurden mehr als 70.000 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Dieser Kampf gegen die gewalttätigen Mara-Banden steigerte die Beliebtheit Bukeles in der Bevölkerung enorm. Die Präsidentschaftswahl vom 4. Februar 2024 gewann Bukele mit fast 85 Prozent. Seine Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) kontrolliert nun 54 der 60 Parlamentssitze. Das Forschungsinstitut V-Dem bescheinigt El Salvador einen rapiden Verfall demokratischer Institutionen und stuft das Land als elektorale Autokratie ein. Das Militär, die Polizei und die Staatsanwaltschaft nutzen die Aussetzung der Grundrechte, um Menschenrechtsverteidiger*innen und Umweltschützer*innen zu verfolgen. Hingegen zeigt die Staatsanwaltschaft keinerlei Interesse daran, Militärs für die zahlreichen während des Bürgerkriegs verübten Massaker an der Zivilbevölkerung zur Verantwortung zu ziehen.

Die Organisation ADES hat angekündigt, die Entscheidung des Richters anzufechten. Die CIR fordert die Regierung El Salvadors auf, die Repression gegen die Zivilgesellschaft zu beenden und die Menschenrechte zu achten. Die Bundesregierung und die EU sollten den Prozess gegen die Aktivisten weiterhin beobachten und sich der Forderung der UN-Sonderberichterstatterin Mary Lawlor anschließen, den Prozess einzustellen.

Porträt von Christian Wimberger

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Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
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